Kontaktformular

Name

E-Mail *

Nachricht *

Mittwoch, 4. November 2020

Kardinalfehler

aus

Vier Prinzen Kammler und von Behr, 2013, S. 159 ff.


Genau diese Zusammenhänge trafen auf „Fürst Wolrad“ zu. Die rückwirkende Umwandlung von freiem Vermögen zu Fideikommiss – die einherging mit der Rückdatierung des  Aufnahmeantrages in die NSDAP – ermöglichte den Übergang des Alleineigentums an denjenigen, der sich als besonders „hilfswilliger Nationalsozialist“ ausgezeichnet hatte. 

Hierzu habe ich ausführlich in VPpU bezug genommen (S. 299–302). Es galt nachstehenden juristischen Konflikt mithilfe der nationalsozialistischen „Gewaltmenschen“ zu lösen: Einerseits die Sichtweise, die 1948 Dr. Kirchhoff vertrat, andererseits die Perspektive eines in der Vergangenheit verankerten Senats des OLG Celle und eines von diesem abschreibenden Verwaltungsgerichts Greifswald. 

Herr Dr. Hans Kirchhoff, ehemaliger Beamter des Reichsjustizministeriums, der den Briten als geeignet erschien, um als Dezernent das Special Legal Advice Bureau (SLAB) zu besetzen, schrieb am 22. März 1948 ein Gutachten für den Präsidenten des Zentraljustizamtes in Hamburg: Schon bei der Kodifikation des BGB war (...) die Garantie für den Bestand der privatrechtlichen Sonderrechte des hohen Adels abgelehnt worden (S. 99). 152 Somit können die vormals regierenden Fürstenhäuser und die ihnen gleichgestellten Standesherrn weder auf die ihre Vorrechte begründenden innerstaatlichen Gesetze der Zeit bis 1918 noch auf internationale Abmachungen und Garantien aus der Zeit von 1914 zurückgreifen, um aus ihnen eine von den allgemeinen Gesetzen abweichende Behandlung ihrer Person oder ihrer Rechte, insbesondere ihres Eigentums herzuleiten. (S. 100) 

Rechtsunerheblich ist, was der Kaiser der Franzosen im Jahre 1810 getan, gedacht und garantiert haben soll; darüber ist die Geschichte und die Rechtsentwicklung längst hinweggegangen. Kein Deutscher kann sich heute noch auf (S. 101) ein „Recht“ von Gnaden Napoleons berufen. Rechtsunerheblich ist auch, ob der oder jener Standesherr auf dem Wiener Kongress vertreten war. [...] die willkürliche Verschiebung der staats- und privatrechtlichen Fragen auf das Gebiet eines falsch verstandenen Völkerrechts (Status-Quo-Garantie) ist der Kardinalfehler, der sich durch das ganze Gutachten hindurchzieht und zu dem unhaltbaren und widersinnigen Ergebnis führt. 

Wäre sein Standpunkt zutreffend, so hätte auch z.B. Grundeigentum der Standesherrn nach dem Preussischen Enteignungsgesetz von 1874 nicht enteignet werden können, ein Gedanke, auf den bis heute niemand gekommen ist (S. 102). Dr. Kirchhoff. 

Das OLG Celle schrieb dagegen in einem Urteil (7 U 159/02) auf S. 37: Eine etwaige Nichtigkeit des Hausgesetzes (von 1923) mit der Folge, daß die Aufhebung der hausrechtlichen und fideikommissarischen Bindungen sowie die angeordnete Vermögensübertragung auf das Adelshaus als eigene Rechtspersönlichkeit nicht wirksam waren, bewirkte indes nicht, daß die Besitzungen in Mecklenburg und Österreich, die Bestandteil des Hausguts waren, in den frei vererblichen Nachlass des Fürsten Adolf fielen. Denn im Falle der Nichtigkeit des Hausgesetzes vom 8 Dezember 1923 musste es bei dem Rechtszustand auf der Grundlage der dann weiter geltenden Hausgesetze von 1911 und 1913 verbleiben (bis zum reichsgesetzlichen Erlöschen des Sondervermögens per 1939). Danach war, wie oben ausgeführt, durch die Hausgesetze von 1911 und 1913, nach denen nur ein männlicher Abkömmling des Fürstenhauses nach den Regeln der Erstgeburt und der Linealfolge als Erbe in Betracht kam, eine Vererbung des Hausguts nach den Vorschriften des BGB ausgeschlossen. Das Weiterwirken der Hausgesetze sollte mit Hilfe der NS-Justiz gesichert, das Oberhaupt inthronisiert und favorisiert werden. 

Wer Zweifel hat, möge S. 58 der VPpU lesen – das Zitat aus BARCH 3001, Aktenband 153 10191, 1, S. 4: „Nach Auflösung der Familiengüter sind die derzeitigen Besitzer freie Eigentümer der Güter geworden und erkennen, Dank der ihnen wohlwollenden Gesetzgebung, keine Unterstützungspflicht gegenüber ihren weiteren Familienangehörigen mehr an.“ 

Nun könnte man die berechtigte Frage stellen: Wieso haben sich zwei weitere Brüder für den Nationalsozialismus engagiert, wenn sie doch schlecht weg kommen sollten? 

Meine Antwort lautet: Weil sich diese „weichenden“ Brüder anderweitig bedienen sollten. Als Beleg folgende Zitate: Die Kanzlei des Führers der NSDAP schrieb am 20. März 1940 an den Reichsführer SS: „da jedoch grundsätzlich keine Zweifel darüber bestehen, daß der Anspruch des (Friedrich Christian Prinz zu Schaumburg-Lippe, Adjutant von Goebbels) zu Recht besteht, so werden keine Bedenken dagegen erhoben, seinem Vorschlage, an Stelle baren Geldes Landbesitz in den neuerworbenen Ostgebieten zu erhalten“ (VPpU, S. 92). 

In einem weiteren Schreiben, diesmal des Reichsführers SS vom 23. Juni 1941, kommt zum Ausdruck, dass Friedrich Christian Ländereien des ehe maligen katholischen Stifts Kremsmünster (Oberösterreich) „beansprucht“ (S. 93 der VPpU). 

Im Mai 1944 setzte sich Josias Prinz von Waldeck dafür ein, dass sein Schwager, SS Obersturmbannführer und Inhaber des Totenkopfringes, Ste - phan Prinz zu Schaumburg-Lippe Ländereien in den „neu erworbenen“ Ostgebieten aufkaufen könnte (S. 80 ff. der VPpU). 

Im Jahr 1943 empfahl Wolrad seinem Bruder Heinrich im Rahmen von Verhandlungen zur Abfindungsfrage, sich auf dem Häusermarkt einzudecken. Dieser antwortete am 10. April 1943: Wenn Du mir schreibst ich hätte mich genau so gut wie Didi [Friedrich Chris tian] dinglich sichern können so sage ich entschieden nein. Ob die Häuserblocks die Friedrich Christian kaufte arisch waren [gemeint sind Blocks nahe der Hackeschen Höfe in Berlin]? Ich bezweifle es. Auf dieser Linie beabsichtige ich aber nicht Geld zu machen, als meines Vaters Sohn [Anspielung darauf, dass Friedrich Christian nicht Sohn Georgs war]. Somit haben die nationalsozialistisch orientierten Brüder in perfekter Arbeits - teilung gehandelt. Der sich als „Oberhaupt“ ausgebende Prinz Wolrad raffte das Vermögen seines verstorbenen Bruders Fürst Adolf zusammen und verwies seine Brüder auf „anderweitigen“ Erwerb durch Arisierung oder Plünderung in den Ostgebieten. Ein verlockendes Angebot.

 





 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen