aus
Vier Prinzen Kammler und von Behr, 2013, S. 159 ff.
Genau diese Zusammenhänge trafen auf „Fürst Wolrad“
zu. Die rückwirkende Umwandlung von freiem Vermögen zu Fideikommiss – die einherging
mit der Rückdatierung des Aufnahmeantrages in die NSDAP –
ermöglichte den Übergang des Alleineigentums an denjenigen, der sich als
besonders „hilfswilliger Nationalsozialist“ ausgezeichnet hatte.
Hierzu habe ich
ausführlich in VPpU bezug genommen (S. 299–302). Es galt nachstehenden
juristischen Konflikt mithilfe der nationalsozialistischen „Gewaltmenschen“ zu
lösen: Einerseits die Sichtweise, die 1948 Dr. Kirchhoff vertrat, andererseits
die Perspektive eines in der Vergangenheit verankerten Senats des OLG Celle und
eines von diesem abschreibenden Verwaltungsgerichts Greifswald.
Herr Dr. Hans
Kirchhoff, ehemaliger Beamter des Reichsjustizministeriums, der den Briten als
geeignet erschien, um als Dezernent das Special Legal Advice Bureau (SLAB) zu
besetzen, schrieb am 22. März 1948 ein Gutachten für den Präsidenten des
Zentraljustizamtes in Hamburg: Schon bei der Kodifikation des BGB war (...) die
Garantie für den Bestand der privatrechtlichen Sonderrechte des hohen Adels
abgelehnt worden (S. 99). 152 Somit können die vormals regierenden
Fürstenhäuser und die ihnen gleichgestellten Standesherrn weder auf die ihre
Vorrechte begründenden innerstaatlichen Gesetze der Zeit bis 1918 noch auf
internationale Abmachungen und Garantien aus der Zeit von 1914 zurückgreifen,
um aus ihnen eine von den allgemeinen Gesetzen abweichende Behandlung ihrer
Person oder ihrer Rechte, insbesondere ihres Eigentums herzuleiten. (S.
100)
Rechtsunerheblich
ist, was der Kaiser der Franzosen im Jahre 1810 getan, gedacht und garantiert
haben soll; darüber ist die Geschichte und die Rechtsentwicklung längst
hinweggegangen. Kein Deutscher kann sich heute noch auf (S. 101) ein „Recht“
von Gnaden Napoleons berufen. Rechtsunerheblich ist auch, ob der oder jener
Standesherr auf dem Wiener Kongress vertreten war. [...] die willkürliche
Verschiebung der staats- und privatrechtlichen Fragen auf das Gebiet eines
falsch verstandenen Völkerrechts (Status-Quo-Garantie) ist der Kardinalfehler, der
sich durch das ganze Gutachten hindurchzieht und zu dem unhaltbaren und
widersinnigen Ergebnis führt.
Wäre sein Standpunkt
zutreffend, so hätte auch z.B. Grundeigentum der Standesherrn nach dem
Preussischen Enteignungsgesetz von 1874 nicht enteignet werden können, ein
Gedanke, auf den bis heute niemand gekommen ist (S. 102). Dr. Kirchhoff.
Das OLG Celle schrieb
dagegen in einem Urteil (7 U 159/02) auf S. 37: Eine etwaige Nichtigkeit des
Hausgesetzes (von 1923) mit der Folge, daß die Aufhebung der hausrechtlichen
und fideikommissarischen Bindungen sowie die angeordnete Vermögensübertragung
auf das Adelshaus als eigene Rechtspersönlichkeit nicht wirksam waren, bewirkte
indes nicht, daß die Besitzungen in Mecklenburg und Österreich, die Bestandteil
des Hausguts waren, in den frei vererblichen Nachlass des Fürsten Adolf fielen.
Denn im Falle der Nichtigkeit des Hausgesetzes vom 8 Dezember 1923 musste es
bei dem Rechtszustand auf der Grundlage der dann weiter geltenden Hausgesetze
von 1911 und 1913 verbleiben (bis zum reichsgesetzlichen Erlöschen des
Sondervermögens per 1939). Danach war, wie oben ausgeführt, durch die
Hausgesetze von 1911 und 1913, nach denen nur ein männlicher Abkömmling des
Fürstenhauses nach den Regeln der Erstgeburt und der Linealfolge als Erbe in
Betracht kam, eine Vererbung des Hausguts nach den Vorschriften des BGB
ausgeschlossen. Das Weiterwirken der Hausgesetze sollte mit Hilfe der NS-Justiz
gesichert, das Oberhaupt inthronisiert und favorisiert werden.
Wer Zweifel hat, möge
S. 58 der VPpU lesen – das Zitat aus BARCH 3001, Aktenband 153 10191, 1, S. 4:
„Nach Auflösung der Familiengüter sind die derzeitigen Besitzer freie
Eigentümer der Güter geworden und erkennen, Dank der ihnen wohlwollenden
Gesetzgebung, keine Unterstützungspflicht gegenüber ihren weiteren
Familienangehörigen mehr an.“
Nun könnte man die
berechtigte Frage stellen: Wieso haben sich zwei weitere Brüder für den
Nationalsozialismus engagiert, wenn sie doch schlecht weg kommen sollten?
Meine Antwort lautet:
Weil sich diese „weichenden“ Brüder anderweitig bedienen sollten. Als Beleg
folgende Zitate: Die Kanzlei des Führers der NSDAP schrieb am 20. März 1940 an
den Reichsführer SS: „da jedoch grundsätzlich keine Zweifel darüber bestehen,
daß der Anspruch des (Friedrich Christian Prinz zu Schaumburg-Lippe, Adjutant
von Goebbels) zu Recht besteht, so werden keine Bedenken dagegen erhoben,
seinem Vorschlage, an Stelle baren Geldes Landbesitz in den neuerworbenen
Ostgebieten zu erhalten“ (VPpU, S. 92).
In einem weiteren
Schreiben, diesmal des Reichsführers SS vom 23. Juni 1941, kommt zum Ausdruck,
dass Friedrich Christian Ländereien des ehe maligen katholischen Stifts
Kremsmünster (Oberösterreich) „beansprucht“ (S. 93 der VPpU).
Im Mai 1944 setzte
sich Josias Prinz von Waldeck dafür ein, dass sein Schwager, SS
Obersturmbannführer und Inhaber des Totenkopfringes, Ste - phan Prinz zu
Schaumburg-Lippe Ländereien in den „neu erworbenen“ Ostgebieten aufkaufen
könnte (S. 80 ff. der VPpU).
Im Jahr 1943 empfahl
Wolrad seinem Bruder Heinrich im Rahmen von Verhandlungen zur Abfindungsfrage,
sich auf dem Häusermarkt einzudecken. Dieser antwortete am 10. April 1943: Wenn
Du mir schreibst ich hätte mich genau so gut wie Didi [Friedrich Chris tian]
dinglich sichern können so sage ich entschieden nein. Ob die Häuserblocks die
Friedrich Christian kaufte arisch waren [gemeint sind Blocks nahe der
Hackeschen Höfe in Berlin]? Ich bezweifle es. Auf dieser Linie beabsichtige ich
aber nicht Geld zu machen, als meines Vaters Sohn [Anspielung darauf, dass
Friedrich Christian nicht Sohn Georgs war]. Somit haben die
nationalsozialistisch orientierten Brüder in perfekter Arbeits - teilung
gehandelt. Der sich als „Oberhaupt“ ausgebende Prinz Wolrad raffte das Vermögen
seines verstorbenen Bruders Fürst Adolf zusammen und verwies seine Brüder auf
„anderweitigen“ Erwerb durch Arisierung oder Plünderung in den
Ostgebieten. Ein verlockendes Angebot.
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