Mittwoch, 2. Oktober 2013

Kurt von Behr bekommt Echo in der Presse

Mallorca Magazin vom 3. Oktober 2013, S. 28

ALEXANDER SEPASGOSARIAN


Vom Spitzel zum Kunsträuber

Kurt von Behr

Kurt von Behr war der wohl berüchtigste Nazi-Geheimagent auf Mallorca. Karriere machte er in Paris
Unter den Nazis der  zweiten Garnitur ist sein berüchtigter Name zu finden: Baron Kurt von Behr. Der Adelige aus Norddeutschland war im besetzten Paris am NS-Kunstraub maßgeblich beteiligt. Er war Angehöriger im Einsatzstab des Reichsleiters und Parteiideologen Alfred Rosenberg. Der Stab beschlagnahmte Gemälde, Möbel und Kunstgegenstände in Museen und insbesondere jüdischen Privatsammlungen. Dazu wurden eigens renommierte Sachverständige und Kunsthistoriker engagiert, die das zusammengeraubte Gut erfassten, dokumentierten und per Zugfracht heim ins Reich schaffen ließen. Nazi- Bonzen wie Hermann Göring schmückten ihre Privatschlösser mit der Beutekunst, aber auch Ministerien und Amtsstuben des Großdeutschen Reiches wurden mit Kunsthandwerk aufgehübscht.

Für Kurt von Behr waren die Jahre in Paris offenbar ein einziger Festrausch. Seine Champagner- Partys, zu denen er die Spitzen von Wehrmacht und Besatzungsverwaltung einlud, sollen legendary gewesen sein. La vie en rose; das Leben in Frankreich war für Behr zugleich der Höhepunkt seiner fragwürdigen Karriere.

Mit der Landung der Alliierten in der Normandie und dem Rückzug des Stabes nach Franken fand der Krieg für den Schöngeist das Ende. Wie viele Nazis in jener Zeit nahmer sich unmittelbar vor der Kapitulation das Leben. Was nur wenige wissen, ist, dass Kurt von Behr vor dem Zweiten Weltkrieg sein Unwesen auch in Italien und auf Mallorca getrieben hatte. Hier war er  offenbar als Nazi-Spitzel und Geheimagent tätig, wobei er vermutlich vor allem seine emigrierten Landsleute ausspionierte. Wie kaum ein anderer hat Alexander vom Hofe der Biographie Kurt von Behrs nachgespürt. Der Madrider Rechtsanwalt hat dazu einen guten Grund: Er ist der festen Überzeugung, dass der Nazi Hofes Großonkel denunzierte. Das schuf die Grundlage, um den Angehörigen zu beseitigen. Der Großonkel und seine Frau sollen einem Mordkomplott der Nazis zum Opfer gefallen sein. 



Adolf Fürst zu Schaumburg-Lippe und Ellen, seine Frau

Zwei Bücher hat Vom Hofe zu dieser – seiner eigenen – Familienangelegenheit bereits veröffentlicht. Jener Großonkel war damals einer der reichsten Deutschen seiner Zeit: Es handelt sich um Adolf II. Fürst zu Schaumburg-Lippe (1883-1936). Er war der letzte regierende Fürst seines Ländchens mit Hauptstadt Bückeburg, westlich  von Hannover gelegen und heute Teil des Bundeslandes Niedersachsen. Als Kaiser Wilhelm II. 1918 den Ersten Weltkrieg verlor, musste auch Adolf abdanken. Zwar büßte der Fürst damit seineAdelsprivilegien ein, nicht jedoch seinen weitläufigen Besitz, der neben diversen Schlössern auch Gutshöfe, Forsten, Ländereien, Kunstsammlungen und Aktienpakete umfasste. Adolf, der älteste von neun Geschwistern, bracote Teile der Familie gegen sich auf, als er 1920 eine nicht-adelige Frau heiratete.

Mit den Nazis, die 1933 an die Macht kamen, hatte er ebenfalls nichts am Hut. Anders einige seiner jüngeren Brüder, die durchaus Nazi-affin waren und später Karriere bei den braunen Machthabern machten. Stephan erhielt hohe Posten im Auswärtigen Amt und bei der SS, Friedrich Christian brachte
es zum Adjutanten von Goebbels. Doch während Deutschland unter Hitler „erwachte”, zog Adolf das noble Exil auf der Insel Brioni vor. Daswar damals ein Jetset-Eiland bei Venedig, wo die Crème de la Crème Europas sich dem mediterranen Badeleben und Golfen hingab. Behr war als NS-Parteigänger zu jener Zeit ein Mitarbeiter im deutschen Konsulat in Venedig. Von dort aus nahm er Hitler- Gegner ins Visier.

Bei seinen Recherchen stieß Alexander vom Hofe auf Unterlagen, die belegen, wie Behr 1934 seinen Großonkel bei der Geheimen Staatspolizei in Preußen, deren Chef wiederum Göring war, denunzierte. 1936 kamen Adolf und seine Frau im Rahmen einer Mexiko-Reise bei einem mysteriösen Flugunfall ums Leben. Für Vom Hofe ist der Fall klar: Die Nazis räumten Adolf aus dem Weg, mit Juristentricks, unsauberen Machenschaften und Gewalt wurde dann der meiste Besitz dem willfährigen Bruder Wolrad zugeschlagen, zwei weitere Brüder erhielten hohe Posten in der Nazi- Hierarchie. Der Vorteil für das Regime: Ein Teil der Besitzungen konnte militärstrategisch genutzt werden. Auf einigen der ehemaligen Besitzungen Adolfs wurden Straflager und Fabriken zum Bau von Geheimwaffen errichtet(Steinbruch Steinbergen Focke-Wulf-Zentrale in Bad Eilsen). Einzig Vom Hofes Großvater, der Freimaurer Heinrich, wurde von derFamilie klein gehalten und musste zeitweise um sein Leben fürchten.

Über Behr ist bekannt, dass er nach Italien mit seiner britischen Frau eine Zeit lang in Pollença und dann in Palma wohnte. Unter den Inselnazis wollte er gerne den Ton angeben, doch im deutschen Konsul Hans Dede, ebenfalls Mitglied der Nazi- Partei, fand er einen Widersacher. Im damaligen Schulverein gelang es Behr im Juni 1936 den Vorstand zu übernehmen. Doch kurz darauf brach der Spanische Bürgerkriegaus. Die Schule, ferienbedingt geschlossen, hörte ganz auf zu bestehen. Wie sehr Behr auf der Insel aktiv war, lässt sich nicht eindeutig belegen. Sicherlich wird er Hitlerkritische Deutsche observiert und sogar gemeldet haben. Eine deutsche Emigrantenzeitungen in Frankreich beschuldigten ihn, einen spanischen Arzt in Palma-El Terreno denunziert zu haben, der dann von den Franquisten erschossen wurde. Das scheint jedoch nicht zuzutreffen. Dem El-Terrenound Bürgerkriegsforscher Llorenç Capellà ist kein hingerichteter Mediziner aus dem Stadtteil bekannt. „Und die Franquisten benötigten keine deutschen Denunzianten, um ihre Gegner zu töten. Das schafften sie alleine.“ Wie viele Deutsche verließ Behr Mallorca kurz nach Ausbruch des Bürgerkrieges. Dann verliert sich seine Spur, bis er wieder in Paris auftaucht.

Alexander vom Hofe, „Vier Prinzen zu Schaumburg-Lippe, Kammler und von Behr“, 
ISBN 978-84-615-5450-
Preis: 18 Euro.
Nähere Infos: www.vierprinzen.com

Kontakt: 
Alexander vom Hofe
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