Mallorca Magazin vom 3. Oktober 2013, S. 28
ALEXANDER SEPASGOSARIAN
Vom
Spitzel zum Kunsträuber
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Kurt von Behr
Kurt von Behr war der wohl berüchtigste Nazi-Geheimagent auf Mallorca. Karriere machte er in Paris |
Unter den Nazis der zweiten Garnitur ist sein berüchtigter
Name zu finden: Baron Kurt von Behr. Der Adelige aus Norddeutschland war im
besetzten Paris am NS-Kunstraub maßgeblich beteiligt. Er war Angehöriger im
Einsatzstab des Reichsleiters und Parteiideologen Alfred Rosenberg. Der Stab
beschlagnahmte Gemälde, Möbel und Kunstgegenstände in Museen und insbesondere
jüdischen Privatsammlungen. Dazu wurden eigens renommierte Sachverständige und
Kunsthistoriker engagiert, die das zusammengeraubte Gut erfassten, dokumentierten und per Zugfracht heim
ins Reich schaffen ließen. Nazi- Bonzen wie Hermann Göring schmückten ihre
Privatschlösser mit der Beutekunst, aber auch Ministerien und Amtsstuben des
Großdeutschen Reiches wurden mit Kunsthandwerk aufgehübscht.
Für Kurt von
Behr waren die Jahre in Paris offenbar ein einziger Festrausch. Seine
Champagner- Partys, zu denen er die Spitzen von Wehrmacht und
Besatzungsverwaltung einlud, sollen legendary gewesen sein. La vie en rose; das
Leben in Frankreich war für Behr zugleich der Höhepunkt seiner fragwürdigen
Karriere.
Mit der
Landung der Alliierten in der Normandie und dem Rückzug des Stabes nach Franken
fand der Krieg für den Schöngeist das Ende. Wie viele Nazis in jener Zeit
nahmer sich unmittelbar vor der Kapitulation das Leben. Was nur wenige wissen, ist,
dass Kurt von Behr vor dem Zweiten Weltkrieg sein Unwesen auch in Italien und
auf Mallorca getrieben hatte. Hier war er
offenbar als Nazi-Spitzel und Geheimagent tätig, wobei er vermutlich vor
allem seine emigrierten Landsleute ausspionierte. Wie kaum ein anderer hat
Alexander vom Hofe der Biographie Kurt von Behrs nachgespürt. Der Madrider
Rechtsanwalt hat dazu einen guten Grund: Er ist der festen Überzeugung, dass
der Nazi Hofes Großonkel denunzierte. Das schuf die Grundlage, um den Angehörigen
zu beseitigen. Der Großonkel und seine Frau sollen einem Mordkomplott der Nazis
zum Opfer gefallen sein.
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Adolf Fürst zu Schaumburg-Lippe und Ellen, seine Frau |
Zwei Bücher hat Vom Hofe zu dieser – seiner eigenen –
Familienangelegenheit bereits veröffentlicht. Jener Großonkel war damals einer
der reichsten Deutschen seiner Zeit: Es handelt sich um Adolf II. Fürst zu
Schaumburg-Lippe (1883-1936). Er war der letzte regierende Fürst seines Ländchens
mit Hauptstadt Bückeburg, westlich
von Hannover gelegen und heute Teil des Bundeslandes Niedersachsen. Als
Kaiser Wilhelm II. 1918 den Ersten Weltkrieg verlor, musste auch Adolf abdanken.
Zwar büßte der Fürst damit seineAdelsprivilegien ein, nicht jedoch seinen
weitläufigen Besitz, der neben diversen Schlössern auch Gutshöfe, Forsten, Ländereien,
Kunstsammlungen und Aktienpakete umfasste. Adolf, der älteste von neun
Geschwistern, bracote Teile der Familie gegen sich auf, als er 1920 eine nicht-adelige
Frau heiratete.
Mit den
Nazis, die 1933 an die Macht kamen, hatte er ebenfalls nichts am Hut. Anders einige
seiner jüngeren Brüder, die durchaus Nazi-affin waren und später Karriere bei den
braunen Machthabern machten. Stephan erhielt hohe Posten
im Auswärtigen Amt und bei der SS, Friedrich Christian brachte
es zum Adjutanten von Goebbels. Doch während Deutschland unter Hitler „erwachte”,
zog Adolf das noble Exil auf der Insel Brioni vor. Daswar damals ein
Jetset-Eiland bei Venedig, wo die Crème de la Crème Europas sich dem mediterranen
Badeleben und Golfen hingab. Behr war als NS-Parteigänger zu jener Zeit
ein Mitarbeiter im deutschen Konsulat in Venedig. Von dort aus nahm er Hitler- Gegner
ins Visier.
Bei seinen
Recherchen stieß Alexander vom Hofe auf Unterlagen, die belegen, wie Behr 1934
seinen Großonkel bei der Geheimen Staatspolizei in Preußen, deren Chef
wiederum Göring war, denunzierte. 1936 kamen Adolf und seine Frau im Rahmen einer
Mexiko-Reise bei einem mysteriösen Flugunfall ums Leben. Für Vom Hofe ist der
Fall klar: Die Nazis räumten Adolf aus dem Weg, mit Juristentricks, unsauberen
Machenschaften und Gewalt wurde dann der meiste Besitz dem willfährigen Bruder Wolrad
zugeschlagen, zwei weitere Brüder erhielten hohe Posten in der Nazi- Hierarchie.
Der Vorteil für das Regime: Ein Teil der Besitzungen konnte militärstrategisch
genutzt werden. Auf einigen der ehemaligen
Besitzungen Adolfs wurden Straflager und Fabriken zum Bau von Geheimwaffen
errichtet(Steinbruch Steinbergen Focke-Wulf-Zentrale in Bad Eilsen). Einzig Vom
Hofes Großvater, der Freimaurer Heinrich, wurde von derFamilie klein gehalten
und musste zeitweise um sein Leben fürchten.
Über
Behr ist bekannt, dass er nach Italien mit seiner britischen Frau eine Zeit
lang in Pollença und dann in Palma wohnte. Unter den Inselnazis wollte er
gerne den Ton angeben, doch im deutschen Konsul Hans Dede, ebenfalls Mitglied
der Nazi- Partei, fand er einen Widersacher. Im damaligen Schulverein gelang es
Behr im Juni 1936 den Vorstand zu übernehmen. Doch kurz darauf brach der
Spanische Bürgerkriegaus. Die Schule, ferienbedingt geschlossen, hörte ganz auf
zu bestehen. Wie sehr Behr auf der Insel aktiv war, lässt sich nicht eindeutig
belegen. Sicherlich wird er Hitlerkritische Deutsche observiert und
sogar gemeldet haben. Eine deutsche Emigrantenzeitungen in Frankreich
beschuldigten ihn, einen spanischen Arzt in Palma-El Terreno denunziert zu haben, der dann
von den Franquisten erschossen wurde. Das scheint
jedoch nicht zuzutreffen. Dem El-Terrenound Bürgerkriegsforscher Llorenç
Capellà ist kein hingerichteter Mediziner aus dem Stadtteil bekannt. „Und die
Franquisten benötigten keine deutschen Denunzianten, um ihre
Gegner zu töten. Das schafften sie alleine.“ Wie viele Deutsche verließ Behr
Mallorca kurz nach Ausbruch des Bürgerkrieges. Dann verliert sich
seine Spur, bis er wieder in Paris auftaucht.
Alexander vom Hofe, „Vier Prinzen zu Schaumburg-Lippe, Kammler
und von Behr“,
ISBN 978-84-615-5450-
Preis: 18 Euro.
Nähere Infos: www.vierprinzen.com
Kontakt:
Alexander vom Hofe
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