Es ist sehr bemerkenswert dass viele HTO Akten im Januar 1945 nach Bückeburg verbracht wurden.
Handelte es sich um Beihilfe für die HTO oder um Tätigkeit als HTO ? Wusste Plettenberg davon ?
Flucht aus der Grünheide?
Meine erste Frage lautet: Wer hat Zugang zu HTO Akten im Januar 1945 ?
Ein Syndikus der HTO, der Mitarbeiterstab ? Wahrscheinlich.
Darf ein Syndikus oder ein Mitarbeiter die Akten der HTO transportieren ? Ja, mit Zustimmung des Auftraggebers oder Dienstherren.
Der Auftraggeber oder custodian der Akten muss zustimmen an welchen Ort die Akten verbracht werden, aber auch der Empfänger oder Verwahrer der Akten. Das wird kein Konditor sein. Konditor weil offiziell die Konditorei Eschmann in der Bahnhofstrasse 9 a in Bückeburg als Sitz der Ausweichstelle gewählt wird.
Wurde Plettenberg informiert ? War er eingeweiht?
Es heisst, es kam nicht nur zu einer Personal- und Aktenverlegung sondern zu einer Sitzverlegung. Eine Sitzverlegung einer Aussenstelle ist mehr als ein Transport von Akten. Oder handelte es sich um eine Flucht, um ein sich Absetzen im Januar 45?
Wer war einverstanden mit der Entgegennahme der Akten in Bückeburg ? Wer war einverstanden mit der Sitzverlegung?
Dass die Verlegung in eine Ausweichstelle erfolgte bedeutet gerade nicht, dass die Akten gesichert werden sollen um später die Enteigneten restituieren zu können. Bruno Pfennig wird es den Briten später so verkaufen wollen.
Wieso ausgerechnet eine Aussenstelle in Bückeburg? Wieso Verlegung von Grünheide Mark nach Bückeburg ?
Bruno Pfennig, der Stellvertreter des Leiters der HTO Dr. Winkler, und Rechtsberater der HTO soll die Verbringung der Akten vorgenommen haben. Es kamen mehrere Sachbearbeiter mit. Wer entschied die Sitzverlegung? Es sollten die Dienstanweisungen geprüft werden. Das wird schwierig. Bruno Pfennig schreibt, dass die Erwägungen in einem Geheimbericht fesgehalten wurden. BARCH R 144 Akte 415.
Nach Verbringung der Akten, nach Ankunft der Sachbearbeiter der HTO aus Grünheide in Bückeburg, also nach Vollzug der Sitzverlegung bringt Plettenberg die Krone und Tabatieren der Hohenzollern im Februar 1945 von Potsdam nach Bückeburg.
Dass die HTO Aussenstelle in Bückeburg eingerichtet wurde muss Plettenberg gewusst haben. Er muss gewusst haben wer die HTO ist.
Danach fuhr er von Bückeburg nach Potsdam.
Bückeburg galt für die HTO und für das HTO Personal und für Plettenberg als ein sicherer Ort in vielerlei Hinsicht. Die Krone des preussischen Königs war in Sicherheit, die Akten der HTO auch, die Sachbearbeiter aus Grünheide ebenfalls.
Die Frage ist: sicher vor wem ?
Am 3. März 1945 wurde Plettenberg von der Gestapo festgenommen.
Die provokative Frage lautet:
Leistete der Generalbevollmächtigte von Wolrad und Hohenzollern bereits vor 1945 Beihilfe zur Wegnahme jüdischen Vermögens in dem er die Struktur der HTO oder deren Personal unterstützte ? Die HTO war eine kriminelle Organisation, daran besteht kein Zweifel.
Bedienten sich die Hohenzollern und Wolrad gelegentlich oder systematisch der HTO ?
https://www.vierprinzen.com/2019/07/wo-ist-der-unterschied-teil-2.html?m=1
Die Antwort ist im Hinblick auf Plettenberg in seiner Funktion als Bevollmächtigter der Hohenzollern und Wolrads zu suchen.
Voraussetzung wäre ein Wissen und Wollen seitens des Generalbevollmächtigten Wolrads. Wusste Plettenberg im Januar und Februar 45, dass der Bearbeiterstab der HTO mit Akten in Bückeburg untergebracht wurde ? Hat er diese Verlegung gebilligt ? Wusste er davon ?
Dass die HTO im Gebäude des ehemaligen Hofconditors Eugen Eschmann in der Bahnhofstrasse 9 a untergebracht wurde klingt nach Tarnung. Wer war 1945 Eigentümer des Anwesens?
Die HTO und deren Sachbearbeiter waren "Schreibtischtäter". Aus meiner Sicht Kriegsverbrecher.
Bruno Pfennig erklärte gegenüber den Briten, er habe das Aktenmaterial transportiert um es zu vernichten. Meines erachtens ist es einfacher es in Grünheide zu vernichten.
Zur HTO im Detail (Kapitel 21 der Vier Prinzen):
Göring verordnete am 26 April 1938 die Pflicht der Juden zur Anmeldung ihres in- und
ausländischen Vermögens.
Rechtsgrundlage:
Verordnung über die Anmeldung desVermögens von Juden vom 26.April 1938.
Auf Grund der Verordnung zur Durchführung des Vierjahresplanes vom 18. Oktober
1936 (RGBl. I. S. 887) verordne ich folgendes:
§ 1. (1) Jeder Jude (§ 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14.
November 1935 (RGBl. I. S. 1333) hat sein gesamtes in- und ausländisches Vermögen
nach dem Stande vom Tage des Inkraftttretens dieser Verordnung gemäß den
folgenden Bestimmungen anzumelden und zu bewerten....
§ 4. Die Anmeldung ist unter Benutzung eines amtlichen Musters bis zum 30. Juni
1938 bei der für den Wohnsitz des Anmeldenden zuständigen höheren
Verwaltungsbehörde abzugeben. Wenn im Einzelfall aus besonderen Gründen eine
vollständige Anmeldung und Bewertung des Vermögens bis zu diesem Tage nicht
möglich ist, so kann die höhere Verwaltungsbehörde die Anmeldefrist verlängern; in
diesem Falle ist jedoch bis zum 30. Juni 1938 unter Angabe der Hinderungsgründe
dasVermögen schätzungsweise anzugeben und zu bewerten.
§ 5. (1) Der Anmeldepflichtige hat der höheren Verwaltungsbehörde unverzüglich
jede Veränderung (Erhöhung oder Verminderung) seines Vermögens anzuzeigen, die
nach dem Inkrafttreten der Verordnung eintritt, sofern die Vermögensveränderung
über den Rahmen einer angemessenen Lebensführung oder des regelmäßigen
Geschäftsverkehrs hinausgeht.
(2) Die Anzeigepflicht gilt auch für diejenigen Juden, die beim Inkrafttreten der
Verordnung nicht zur Anmeldung und Bewertung verpflichtet sind, aber nach diesem
Zeitpunkt Vermögen im Werte von mehr als 5000 Reichsmark erwerben. § 1 Abs. 1
Satz 2, Abs. 2 und 3 gelten entsprechend.
§ 6. (1) Höhere Verwaltungsbehörde im Sinne dieser Verordnung ist in Schaumburg-
Lippe die Landesregierung.
§ 7. Der Beauftragte für den Vierjahresplan kann die Maßnahmen treffen, die
notwendig sind, um den Einsatz des anmeldepflichtigen Vermögens im Einklang mit
den Belangen der deutschen Wirtschaft sicherzustellen, Berlin, den 22. April 1938.
Der Beauftragte für den Vierjahresplan. Göring Generalfeldmarschall.
Reichsgesetzblatt 1938 I S. 404
Der Präsident der schaumburg-lippischen Landesregierung Karl Dreier, Sohn des 2.
Kammerdieners Georgs, mit Regierungssitz in Bückeburg in der Herminenstrasse, heutiges
Gebäude des Landgerichts war in Schaumburg-Lippe für die Erfassung des Vermögens von
Juden zuständig. In Lippe war es der Reichstatthalter Dr. Alfred Meyer.
Die Anmeldungen bei Dreier und Meyer sollten Arisierungen ermöglichen. Diese hatten im
Oktober 1937 begonnen.
Eine Radikalisierung der Arisierungspolitik stellte dann die Einrichtung der HTO Ost dar.
Aus den Dienstakten 3616/3 des Bundesarchivs zitiere ich eine Einleitung zu den
Beständen der HTO. Das Bundesarchiv In Koblenz erklärte im Juli 1981:
S.I:
Die Haupttreuhandstelle Ost (HTO) mit Sitz in Berlin wurde durch den Erlass vom
19. Oktober 1939 des Vorsitzenden des Ministerrates für die Reichsverteidigung und
Beauftragten für den Vierjahresplan, Hermann Göring, ins Leben gerufen. Die
Veröffentlichung ihrer Errichtung und die Beschreibung ihrer Aufgaben erfolgte
durch die Bekanntmachung im Reichsanzeiger vom 1.11.1939 (RA Nr. 260). Ihre
erste Aufgabe war, die durch die Auflösung des polnischen Staates im Jahre 1939
herrenlos gewordenen grossen polnischen und jüdischen Vermögenswerte,
Liegenschaften, Betriebseinrichtungen und sonstige Rechte aufzufangen und zu
beschlagnahmen, sowie durch kommissarische Verwaltung die Produktion und den
Güteraustausch für die Interessen der Kriegswirtschaft wieder in Gang zu bringen.
Mit der treuhänderischen Verwaltung der beschlagnahmten Vermögen war zunächst
keine Rechtsübertragung verbunden. Ausgenommen waren jedoch Handels- und
Handwerkerbetriebe im Werte bis zu 20.000 RM und Wohnungsmobiliar
geflüchetter oder aus sonstigen Gründen abwesender Personen, weil in diesen Fällen
die Vermögensverwaltung als zu aufwendig angesehen wurde. Später traten der
Umsiedlereinsatz und die Fürsorge für den künftigen Einsatz der Kriegsteilnehmer
hinzu.
S. III: Für das Generalgouvernement wurde durch Verordnung des Generalgouverneurs vom 13.11.1939 (Verordnungsblatt des GG Nr. 6 S. 31) eine entsprechende Treuhandstelle für das Generalgouvernement mit Sitz in Krakau
errichtet....
Der ungeheure Umfang des beschlagnahmten Grundbesitzes aus polnischer und
jüdischer Hand in den eingegliederten Ostgebieten macht die Einrichtung einer
Grundstücksverwaltungsgesellschaft, der Grundstücksgesellschaft der Haupttreuhandstelle Ost m.b.H. (GHTO) erforderlich.
S.IV: Im Jahre 1942 wurden die Leitstellen der GHTO in selbständige
Gaugesellschaften m.b.H. umgewandelt und zwar: die Grundstücksgesellschaft für den
Reichsgau Danzig-Westpreussen m.b.H. (Gedewe) in Gotenhafen (Gedingen)...
Mit dem 1.1.1943 trat die GHTO in Liquidation. Beaufsichtigung und einheitliche
Ausrichtung der Gaugesellschaften wurde von diesem Zeitpunkt an zur Aufgabe der
HTO. Zur Erfassung, Verwaltung und Verwertung des Vermögens ehemaliger
Angehöriger des polnischen Staates im Altreich ...wurde die Sonderabteilung Altreich
eingerichtet.
S.V:
Weitere Hilfsgesellschaften der HTO waren:....die Handelsaufbau Ost GmbH mit
ihren 4 Auffanggesellschaften für Kriegsteilnehmerbetriebe des Handels in den 4
Gauen.
S.VI Sie sind unter Beteiligung der Reichsgruppe Handel eingerichtet worden, um
die Planung im Handel druchzuführen bei der Besetzung der Betriebe mit
geeigneten Kaufleuten mitzuwirken bzw. um die für Kriegsteilnehmer vorgesehenen
Handelsbetriebe zu verwalten.
S. VII Die Anschrift der Zentrale der HTO lautete am 21.2.1945: Berlin W 15,
Bayerische Strasse 5. Daneben bestanden zu dieser Zeit noch Ausweichstellen in
Grünheide, Friesack, Trebbin und Bückeburg. Infolge der Luftangriffe auf Berlin
waren bereits Ende 1943 Abteilungen evakuiert worden....Die Abteilung Vermögensverwaltung kam zunächst nach Alt-Landsberg, später nach Grünheide, im
Februar 1945 soll sie nach Bückeburg verlegt worden sein.
...
Die hier verzeichneten Registraturreste hat das Bundesarchiv 1963 vom
Verwaltungsamt für innere Restitutionen (VIR) in Stadthagen übernommen
(Zugangsnr. I 58/63).
(Es handelt sich um die VIR Bestände. Bemerkenswert ist, dass die Abgabe der Deposita
durch Wolrad an das Staatsarchiv in Bückeburg auch 1963 erfolgte, siehe Kapitel 15,
Depositalvertrag I).
Es handelt sich dabei hauptsächlich um Sachakten der Abteilung Vermögensverwaltung und der Sonderabteilung Altreich. Zusammen mit heute bei der
Oberfinanzdirektion-Aktenverwahrstelle- befindlichen Einzelvorgängen über die
Entziehung im Altreich belegener polnischer Vermögenswerte wurden sie 1945 von
der britischen Besatzungsmacht in Bückeburg aufgefunden. Weitere Buchungsunterlagen der HTO sollen damals von den Engländern vernichtet worden sein.
Dass die Ausweichstelle der Vermögensverwaltung der HTO in Bückeburg im Februar 1945
residierte ist belegt. In der Entnazifizierungsakte Bruno Pfennig, Chefjustitiar der HTO
(Nds. 171 Hann. Nr. 15039) heisst es:
Bruno Pfennig Bückeburg, den 20 Februar 1947
An den Entnazifizierungsausschus Justiz
Hannover
Justizpalast
Betr. meine Entnazifizierung
... die Liquidation der Haupttreuhandstelle Ost ist unter Aufsicht der Militärregierung
ordnungsgemäss durchgeführt und die Restaufgaben sind auf das Centralamt für
Vermögensverwaltung (Britische Zone) in Stadthagen, Seilerstrasse 28 übertragen.
Die für die Ausweichstelle Bückeburg tätig gewesenen Angestellten aus Gründen der
Sicherung der Arbeitsabwicklung erlassen gewesene Residenzbeschränkung ist
aufgehoben....
Der ehemalige Leiter der Behörde Dr.Winkler ist inzwischen aus der Internierung in
Ehren entlassen und es ist ihm die Anerkennung für die einwandfreie Führung der
Vermögensverwaltung durch die Haupttreuhandstelle Ost ausgesprochen worden.
Damit ist, falls es dessen noch bedurft hätte, einwandfrei klargestellt, dass die
Haupttreuhandstelle Ost orndungsgemäss gearbeitet hat.”
Aus Sicht des NS Staates arbeitete die HTO ordnungsgemäss. Bruno Pfennig hatte als Leiter
der Rechtsabteilung der HTO, am 14 Oktober 1940 in Posen einen Vortrag gehalten zur
kurz vor der Verabschiedung stehenden Polenvermögensverordnung, (das Manuskript findet
sich im Staatsarchiv Poznan), APP 759-12, Bl. 216 ff; ich verdanke den Hinweis Herrn Dr.
Bernd Rosenkötter, siehe Treuhandpolitik, aaO S. 131). Zitat aus dem Manuskript:
Das grundsätzliche Ziel, das mit der Polenvermögensverordnung verfolgt wird, ist
eine “allgemeine Regulierung der Deutschmachung auf wirtschaftlichem Gebiet”.
Interessant wäre sicherlich auch die weitere Frage, ob nicht schon 1943 die HTO
Tätigkeiten in Bückeburg und Bad Eilsen ausgeführt hat und wo sich deren Geschäftsräume
befanden.
Am 12.7.2004 teilte mir das Bundesarchiv in Berlin mit, dass der Bestand R 144 ca. 700
Akten umfasste, wobei mehrere dieser Akten sehr umfangreich waren. Wenn ein weiterer
Teil der Akten von den Briten vernichtet wurde, wieviele Akten waren es dann insgesamt ?
Mir wollte nicht einleuchten, dass die Akten der HTO in einer Konditorei in Bückeburg
gelagert haben sollen. Papier und Fett vertragen sich nicht.
Ferner hörte ich vom Bundesarchiv im Juli 2004, dass Yad Vashem den geasamten Bestand R
144 abholen liess, um ihn verfilmen zu lassen, vermutlich um in Zukunft die
Restitutionsanträge der JCC präzisieren zu können. Ich erfuhr im Juli 2004 aber auch vom
BAROV, dass der gesamte Bestand des Vermögensamtes fur innere Restitutionen, VIR
Hannover, im Januar 2003 zur Oberfinanzdirektion Berlin in die Fasanenstrasse verschickt
worden war. Darunter befanden sich HTO Akten und die Akten des Referates Patzer
(Reichsfinanzminister) und Geschädigtenakten (die in einem Aussenlager des Bundes in
Berlin Spandau lagern sollen). Im Juli 2004 wurde mir mitgeteilt, dass diese Bestände (ca.
20.000 Akten) verschimmelt und unausgepackt beim BAROV, Bundesamt zur Regelung
offener Vermögensfragen liegen. Die Findmittel (Mikrofilme) seien in desolatem Zustand.
Direkter Zugang zu den Akten sei nicht möglich, es sei kein Archiv. Das Barov würde auf
Antrag recherchieren, wenn der Name des Geschädigten genannt wird. In dieser Sache war
ich wieder Sonderling. Ich suchte nicht das Opfer, sondern den Täter.
Interessant ist die Geschichte des VIR. Es gibt eine Selbstdarstellung des VIR in Stadthagen
vom 12 August 1959,Verfasser Dr. Ohrtmann. Diese Darstellung erhielt ich am 16.7.2004
vom Verwaltungsamt für innere Restitution in Hannover. Sie lautet auszugsweise:
“Das Verwaltungsamt für innere Restitutionen (früher Zentralamt für Vermögensverwaltung, hervorgegangen aus der Behörde des ehemaligen Reichskommissars
für die Behandlung feindlichen Vermögens) war die erste und längere Zeit auch
einzige deutsche Behörde, die sich auf Veranlassung und unter Aufsicht der damaligen
Besatzungsmacht mit Rückerstattungsangelegenheiten befasste. Auf Anordnung der
Besatzungsmacht wurden schon 1945 durch Sichtung der an die Besatzungsmacht
gerichteten Anträge von Geschädigten und durch Erstattung zahlreicher Berichte aus
den Akten des Reichskommissars die späteren Rückerstattungen vorbereitet (...) In
Zusammenhang mit der (...) Anweisung an die Ministerpräsidenten der britischen
Besatzungszone wurde die Behörde mit der Bearbeitung sämtlicher Sperrungen und
Entsperrungen bei allen irgendwie für eine Rückerstattung in Betracht kommenden
Vermögen der brit. Besatzungszone beauftragt(t...)” In Stadthagen erfolgt die
Registrierung nach dem Anfangsbuchstaben des Familiennamens des
Geschädigten”(...).Die Feststellungen erfordern hier in Stadthagen auf Grund des
mehr umfangreichen Aktenmaterials wesentlich mehr Zeit als bei der Aussenstelle
München(...). Bis zum 31.3.1959 waren bei der Dienststelle in Stadthagen 50.744 (...)
Neuanträge (...) eingegangen(...) Weiter hat das Verwaltungsamt Stadthagen aus den
bei ihm aufbewahrten Akten des ehem. Reichskommissars für die Behandlung
feindlichen Vermögens, den Akten der ehemaligen Haupttreuhandstelle Ost und den
die Einziehung von Wertpapieren betreffenden Akten des ehem. Reichsfinanzministeriums laufend und in erheblichen Umfang Auskünfte-besonders an die
Berliner Rückerstattungsbehörden- zu erteilen(...) Zuletzt sei noch die Bearbeitung
(insbes. Auskunftserteilung) aus den hier aufbewahrten Nachlässen und Wertsachen
ehemaliger Häftlinge der Konzentrationslager Neuengamme, Belsen, Dachau, der
Gestapo Hamburg und der Internierten britischer Internierungslager erwähnt.”
Bemerkenswert war für mich, dass die ehemaligen Verantwortlichen der HTO 1945 von den
Briten für die Bearbeitung der eingehenden Restitutionsanträge eingesetzt worden waren.
Ferner, dass das umfangreiche Aktenmaterial in Stadthagen verwahrt wurde. Ehemalige
Täter beschieden über die Anträge der Opfer.
Aus dem Bestand R 144 des Bundesarchivs interessierten mich zwei Akten auf die mich
Herr Dr. Rosenkötter freundlicherweise hingewiesen hatte. Es handelte sich um Unterlagen
zu ehemaligen Beschäftigten der HTO in Berlin. Diese “Ehemaligen” schrieben am
16.5.1945 an das Arbeitsamt Bückeburg:
“Ich bitte Sie, davon Kenntnis zu nehmen, dass meine Dienststelle (gemeint ist die
HTO) Anfang Februar 1945 von Berlin nach Bückeburg verlagert wurde und sich bis
zum 5 Mai in den Räumen Bahnhofstrasse 9 (Konditorei Eschmann, d. Verf.)
befunden hat. Am 5. Mai d. Js. mussten die Diensträume auf Befehl des hiesigen
Kommandanten Captain Blight auf Veranlassung der Property Control Section
Detmold in das Gerichtsgebäude gegenüber dem Rathaus verlegt werden. Ich bin
verpflichtet, mir von der Militärverwaltung vorgeschriebene Aufgaben zu erfüllen.
(...).”
Captain Blight war mir schon einmal aufgefallen. Er war einer der Befragten im Rahmen
der Ermittlungen anlässlich der abhanden gekommenen Wertgegenstände in Schloss
Bückeburg (dazu gehörten insbesondere die Silberkisten). Captain Blight erscheint in der
PRO Akte FO 936/138. Er gab im August 1947 ein statement ab:
”I left Bückeburg on 5th September 1945. I have no knowledge of the silver...”
Er muss aber von der HTO gewusst haben und davon, dass oben genannte “ehemalige
Beschäftigte der HTO” in die Räume des damaligen Gerichtsgebäudes gegenüber vom
Rathaus in Bückeburg, heute der Stadtverwaltung (Marktplatz 3), umgezogen waren.
Das Musterschreiben an das Arbeitsamt unterschrieben:
“RA Bruno Pfennig, RA Braune, Ernst Büchelin, Erich Thomas, Arthur Heller,
Bruno Rietzke, RA Dr. Dietrich Wendlandt, Hans Günther, Max Pohland, Frau
Maria Richtsteig, Alma Klockow, Johanna Schmidt, Erika Blumers, Annemarie und
Claire Meyer “
Wolrad Prinz zu Schaumburg Lippe agierte im Generalgouvernement zwischen 1939 und
1944 nicht ohne Grund. Die Errichtung von Gefangenenlager, die Beutefahrten, die
Wirtschaftsfahrten unterstanden dem höheren Ziel der rechtswidrigen Zueignung fremden
Vermögens. Eine brutalisierte Form der Arisierung. Es handelte sich nicht um einen
Frontkampf. In seinem Wehrstammbuch steht, dass er sich als Kommandeur beim
Nachschubstab zbV bewährt hat.
Bewährung bei der Wehrmacht könnte dazu führen, dass er als Kriegsteilnehmer, im
Rahmen der Überführung von Kriegsteilnehmerbetrieben hätte bevorzugt werden konnen.
Nicht ohne Grund hatte Wolrad im September 1936 die Rückdatierung seines
Aufnahmeantrages in die NSDAP betrieben. Nicht nur, dass er einen Beleg für seinen frühe
Beteiligung an der “Bewegung” vorlegen wollte, durch rückwirkende Fiktion (wie bei
Paragraf 86 DVO), um rückwirkend ehrbar und besitzfähig im Sinne der Blut und Boden
Ideologie zu sein. Gründe für diesen Rückdatierungsantrag waren keineswegs ideologischer
Natur, sondern entsprachen einem wirtschaftlichem Kalkül. Er sammelte “Punkte” bei der
Naziführung, um seinen Statuts als ehrbares und würdiges Oberhaupt zu festigen. Er
profilierte sich auch, um in die Rangordnung einzutreten die bei der Verwertung des durch
die HTO beschlagnahmten Vermögens massgeblich war (Runderlass des Reichsführers SS,
Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums über die Einhaltung der
Rangordnung bei der besitzlichen Einweisung in Gewerbe- und Wirtschaftsbetriebe jeder
Art in den eingegliederten Ostegebieten vom 22.4.40 (abgedruckt im Mitteilungsblatt der
HTO Nr. 2/40 S.31).
Diese Rangordnung wurde vom Reichsführer SS i.V. gez. Greifelt, SS Brigadeführer und
vom Leiter der HTO gez. Dr.Winkler ergänzt.
SS Brigadeführer Greifelt erschien in Kapitel 10 als Bearbeiter in der SS zum Antrag
Stephans auf Landerwerb auf Vermittlung von Josias Prinz von Waldeck und Pyrmont.
Folgende Rangordnung galt innerhalb der Bewerberstämme, die sich um besitzliche
Einweisung in Betriebe und Wohngrundstücke bewerben konnten:
Gruppe I:Volks- und Reichsdeutsche die am 31.12.1938 ihren Sitz in den eingegliederten
Ostgebieten haben oder noch haben.
Gruppe II: Umsiedler..
Gruppe III: Rückwanderer...
Gruppe IV: sonstige Reichsdeutsche...
Innerhalb der Gruppen I - IV galt folgende Untergliederung:
Stufe A: Kriegsteilnehmer...Anträge dieser Gruppe sind Eilanträge
Stufe B: Bewährte Angehörige der NSDAP...Personen die sippen- oder leistungsmässig mit
den neuen Ostgebieten verbunden sind.
Stufe C: Hinterbliebene von Kriegsteilnehmern,...von bewährten Angehörigen der NSDAP
...(BARCH R 144-317)
Feststeht, dass Wolrad sich als Nazi der ersten Stunde ausweisen wollte. Er wollte
ausgezeichnet werden, damit er fremdes Eigentum erlangen konnte.
In dem sehr lesenswerten Buch von Bernhard Rosenkötter mit dem Titel Treuhandpolitik
(Die Haupttreuhandstelle Ost und der Raub polnischer Vermögen 1939 - 1945, Klartext
Verlag) findet sich auf S. 296 ein Organigramm der HTO - Zentrale Berlin die Hermann
Görings Vierjahrsplan untergliedert war. Dort findet sich die Abteilung IV genannt Öffentl.
Vermögen wieder. Daneben steht der Name Höpker Aschoff.
Die Abteilung R (Rechtsabteilung) unterstand Herrn RA Bruno Pfennig. Herr Pfennig war
nicht nur der Justitiar der HTO. Herr Bruno Pfennig war auch Stellvertreter von Max
Winkler, Leiter der HTO Berlin. Er war aber auch, und das ist viel wichtiger:
Generalreferent für die Treuhandverwaltung im Reichsministerium für die besetzten
Ostgebiete.
Herr Dr. Rosenkötter schickte mir den Geschäftsverteilungsplan der HTO in Berlin Stand
Oktober 1942.
Aufgrund dieses Plans konnte ich das Organigramm erahnen:
Sonderabteilung Altreich:
Gruppe Recht
Leiter RA Brohl (RA Dr.Wendlandt)
Allgemeine Registratur, Danzig, polnische Landarbeiter, Slawische Bank
Akten 10.789 bis...
und 24.000 - 24.999:
(...)
Frl.Ass Meyer (RA Neumann)
12.000 - 12.999;
18.000 - 18.999;
23.000 - 23.999;
28.000 - 28.999.
RA Neumann (Frl. Ass. Meyer)
Akten 16.000-16.999
25.000-25.999
26.000-26.999
RA Seliger (RA Dr.Wendlandt)
Akten 14.000 - 14.999;
17.000 - 17.999;
20.000 - 20.999;
RA Dr.Wendlandt (RA Seliger)
Akten 11.000-11-999
11.000-11.999
29.000-29.999
G r u n d s t ü c k s r e v i s i o n : To r g l e r
Diese Informationen, insbesondere der Hinweis auf die Vorgangsnummern ergibt sich aus
dem Geschäftsverteilungsplan der HTO vom 6.10.1942 (Akte BAL R 144-317).
Aus dem Findbuch des Bundesarchivs zum Bestand R 144 konnte ich entnehmen, welche
Unterlagen zur Treuhandstelle Danzig-Westpreussen im Bundesarchiv in Koblenz lagen. Ich
fand im Findbuch unter der laufenden Nummer 702 folgende Bände:
Bd.1:Treuhandkarten Nr. 12.001 - 12 177
Bd.2:Treuhandkarten Nr. 12178 - 12 344 usw.
Gruppe Verwaltung: Grundstücksrevision: Torgler; RA Bruno Pfennig, RA Braune,
Ernst Büchelin (Referat 4 der Gruppe B: Geldverkehr der komm. Verwalteten
Betriebe im Bezirk der TO Gotenhafen und Zichenau),
Abteilung IV: Leiter Dr. Höpker Aschoff
Verwaltung öffentlichenVermögens
Referat 1:Vermögen des polnischen Staates, der Gemeinden, der Gemeindeverbände
und anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften
Referat 2: Kirchen, Kongregationen, kirchliche Vereine und Stiftungen
Referat 3: Öffentliche Anleihen.
Herr RA Pfennig schrieb auf Blatt 6 seiner Entlastungsschrift in seinem Entnazifizierungsverfahren (Nds. 171 Hann. Nr. 15039):
“So kamen der frühere Preussische Staats- und Finanzminister Dr. Höpker-Aschoff,
lange Zeit Finanzbeirat der Provinz Westfalen, Ministerpräsident Kopf, Graf York von
Wartenburg, Graf Matuschka, Ministerialdirigent Dr. Brebeck, um nur einige
bekannter gewordene Namen zu nennen, zur H.T.O. So wurde Torgler, der frühere
Vorsitzende der Fraktion der K.P.D. im Detschen Reichstag verpflichtet.”
S. 7: “Als im Februar 1945 feststand, dass Hitler unter Aufgabe seines ursprünglichen
Vorhabens nach Berchtesgaden zu gehen, seine blutige Laufbahn unter den
Trümmern Berlins beschliessen wollte, verlagerte ich die wichtigsten Akten der
Haupttreuhandstelle Ost, damit über deren Tätigkeit internationale Rechenschaft
abgelegt werden könne, nach Bückeburg. Ich hatte bis dahin die Absicht, das gleiche
Ziel in Berlin zu erreichen. Da Hitler wider Erwarten blieb, hätte ich den Befehl,
solche Akten zu vernichten, in Berlin nicht sabotieren und auch sonst keinen
einigermassen sicheren Ort für derenVerwahrungg finden können...”
S.: 13: “Die Haupttreuhandstelle Ost war eine Unterabteilung des Vierjahresplanes
und eingesetzt, beschlagnahmtes polnisches Vermögen zu verwalten und zu
verwerten, und zwar in den damaligen Reichsgrenzen, also insbesondere in den in das
Reich eingegliederten westlichen Gebieten Polens....
Etwa im März oder April 1940 ernannte er zwei Stellvertreter, einen stellvertretenden
Leiter (Dr. h.c. Krahmer - Moellenberg), welcher die Gesamtverwaltung des Vermögens zu überwachen hatte und einen weiteren als Justiziar, mich...Als mein
Kollege Ende 1942 durch einen Flugzeugunfall ums Leben kam, übernahm ich noch
die Überwachung der Vermögensverwaltung... Während dieser Tätigkeit habe ich
dafür gesorgt, dass die Verwaltung sauber geführt wurde und dass alle
vermögensrechtlich erheblichen Massnahmen genau aufgezeichnet und gebucht
wurde, sodass -ein einigermassen ordnungsmässigen Ablauf der Verwaltung
vorausgesetzt,- bei Kriegsende über jedesVermögensstück würde Rechnung abgelegt
werden können. Wegen der internationalen Bedeutung dieser Verwaltung habe ich
dann auch unter den schwierigsten Umständen den entscheidenden Teil der
Unterlagen, die Vermögensverwaltung, S. 14: ohne Rücksicht auf meine persönlichen
Interessen nach Bückeburg verlagert und dort den Britischen Behörden übergeben.
Bis zu meiner Internierung führte ich die Abwicklungsarbeiten als custodian der
Militärregierung durch.
(Herr Pfennig wurde von der Britischen Sicherheitspolizei vom 10 Dezember 1945
interniert und am 10.8.1946 entlassen).
Herr RA Bruno Pfennig wurde Verteidiger Wolrads im Entnazifizierungsverfahren. Seine
Kanzleianschrift: Bahnhofstrasse 6 in Bückeburg und im Februar 1945 war die HTO
Zentrale nach Bückeburg in die Konditorei Eschmann (Bahnhofstrasse 9) umgezogen. Der
Verteidiger Wolrads vor dem Entnazifizierungsausschuss war ausgerechnet der ehemalige
Generalreferent für die Treuhandverwaltung im Reichsministerium für die besetzten
Ostgebiete.
Herr RA Pfennig, später mit Kanzlei in der Königstrasse 5 in Hannover, vertrat Wolrad in
der Auseinandersetzung mit Herrn Philipp Beetz (ehemaliger Aktionär der GEMAG), vor
dem Wiedergutmachungsamt bei dem Landgericht Bückeburg im Jahr 1950 in der
Rückerstattungssache wegen der “feindlichen” Übernahme der Wubag (später Gemag)
durch Wolrad (Aktenzeichen WgA 15/49).
Mir fällt folgender Vergleich aus dem Tierreich ein: die Spinne und ihr Netz. Funktionen
des Spinnenetzes: Sicherheit, Alarmanlage, Fangmittel, Halt. Wer war hier die Spinne ?
Berührte ich die Spinnenfäden oder die Haare der Spinne selbst?
In seinem Tagebuch berichtete mein Grossvater auf S.224 (Eintragung 13.5.45):
“Heute nachmittag mit Kondratowitsch bei Frau Plettenberg zum Thee. Er erzählte,
dass, mir scheint unter Görings Oberhoheit, ein “Verein” zur Verwaltung
beschlagnahmten jüdischen Vermogens gegründet gewesen ist. Der Syndikus ist hier
mit den Akten nach Bückeburg geflohen und hat sie dem englischen Kommandanten
übergeben. Die Einnahmen dieser Gesellschaft soweit sie nicht weggebucht sind,
betragen 8 Milliarden, kein Schreibfehler. Wenn man bedenkt wie unendlich vieler
jüdischer Besitz darunter nicht fällt, verkaufte Geschäfte, Möbel etc, so kann man
einerseits nicht umhin zu sagen, welche überragende Rolle die Juden hatten,
andererseits wo soll die Widergutmachung herkommen, die alle Rassen und Länder
anmelden ? Lässt sich das überhaupt erarbeiten, sagen wir mal in 15 Jahren ?—
Wiedergutmachung muss sein, das stimmt. Wie aber wird sich die praktische
Durchführung gestalten ? Zerstören geht schneller als aufbauen.”
Friedrich von Kondratowicz aus Bückeburg, Marienstrasse 3 versicherte eidesstattlich am 16
Oktober 1946 vor dem Amtsgericht Bückeburg unter II 85/46:
In dem gesetzlichen Denazifizierungsverfahren über Bruno Pfennig, geb. 31.8.01,
jetzt in Bückeburg, Bahnhofstrasse 6 wohnhaft erkläre ich:
Ich kenne Herrn Pfennig aus gemeinsamer Tätigkeit im Film in Berlin seit etwa
1931....
Wegen seiner Unterstützung von Juden, insbesondere der der Frau E.S., war Herr
Pfennig den heftigsten Anfeindungen ausgesetzt...Es bestand eine völlige
Übereinstimmung der Auffassungen über den verbrecherischen Charakter der
Hitler`schen Kriegsführung...
(Nds. 171 Hann. Nr. 15039).
Die Hauptbeschäftigung Herrn Pfennigs hatte er inzwischen wohl vergessen.
Mein Grossvater meinte in seinem Tagebuch Herrn RA Bruno Pfennig, als er vom
Chefjustitiar sprach. Die Auskünfte zu den Einnhamen der HTO kamen von Herrn von
Kondratowitsch.
Jedenfalls profitierten die HTO Verantwortlichen vom kalten Krieg, denn sie hatten viel
Information über den Osten. Diese Information war wertvoll für die Briten und
Amerikaner. Dr. Bernd Rosenkötter schreibt auf S. 273:
In den Räumen der ehemaligen Konditorei (genau: Hofkonditorei Friedrich Wilhelm
Adolf Eschmann, der Verf.) fanden sich im Laufe der folgenden Wochen unter der
Leitung von Bruno Pfennig 15 Mitarbeiter der HTO Zentrale ein. Noch im Mai
1945 wurden die in Bückeburg befindlichen Mitarbeiter der HTO Zentrale vom
örtlichen Militärkommandanten der in Detmold errichteten “Property Control
Section” unterstellt, die mit Hilfe dieser ehemaligen Mitarbeiter nun Licht in das
Dunkel der von der HTO ausgeübten Aktivitâten zu bringen suchte.
Hermann Höpker-Aschoff (1883-1954) war 1945 Gründungsmitglied der FDP, 1951 - 54
erster Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Und er war Leiter der Industriekontor
GmbH (siehe Kapitel 18).
In den turbulenten Zeiten unmittelbar nach der Kapitulation erhielten die Briten wertvolle
Dokumente über begangenes Unrecht gegen jüdisches und polnisches Eigentum. Die
Überbringer der umfassenden Dokumentation waren ehemals in Berlin und in den
besetzten Ostgebieten tätige Hauptverantwortliche der HTO Görings. Mehrere 10tausende
Akten bearbeiteten sie. Und diese Personen suchten Zuflucht in Bückeburg im Februar
1945. Mir fällt wieder der Tod von Kurt Freiherr von Plettenberg im März 1945 ein. Warum
musste er im März 1945 sterben ? War Bückeburg für alle Flüchtlinge aus Berlin gross genug
? Hätte es Raum und Arbeit für Herrn von Plettenberg und die Flüchtlinge aus Berlin und
Polen in Bückeburg gegeben ? Wer hatte etwas gegen Plettenberg im März 1945 ?
Nach der Kapitulation gab es nicht nur Kontakte zwischen den Militärs in der britischen
Zone und den Lokalgrössen, wie Wolrad und dessen Berater, wie Herr Schwertfeger. Zur
Entscheidung stand an, wer die Ämter in der Landesregierung bekleiden sollte.
Ausgerechnet jemand aus der Schar ehemaliger Mitarbeiter der HTO, deren Unterlagen
nach Bückeburg transportiert wurden, jemand der die wirtschaftlichen Strukturen in den
Ostgebieten und im Generalgouvernement genauestens kannte, wird das höchste Amt in der
ersten zivilen niedersächsischen Landesregierung bekleiden. Ist dies verständlich ? Solche
Personen verfügen über eine fachliche durch Erfahrung belegte Qualifikation die andere
Personen. die dem NS Regime feindlich gegenüber eingestellt waren, nicht aufzuweisen
hatten. Schliesslich verfügten diese Personen über allerbeste Kenntnisse in wirtschaftlichen
Angelegenheiten und sie hatten in der Praxis bewiesen, dass sie “gute”Verwalter waren.
Für die britischen Geheimdienste brachten solche Personen die nötigen Kompetenzen mit.
Die Alliierten haben zwischen Entnazifizierung und Kampf gegen den Ostblock abgewogen
und festgestellt, dass solche Personen fachlich hochqualifiziert und vermutlich
Antikommunisten (bei Ernst Torgler ist eine eindeutige Antwort nicht möglich) waren.
Sie haben sich gegen eine gründliche Denazifierung entschieden und haben die personellen
Kontinuitäten vor und nach 1945 genutzt, weil sie von grossem Vorteil waren.
Über diese Zusammenhänge mussten Wolrad und Herr Schwertfeger bestens informiert
gewesen sein und sie nutzten den Windschatten. Geschaffen waren damit die besten
Voraussetzungen für ein perfektes Arrangement zwischen allen Beteiligten: Landesregierung,
britische Militärregierung, Wolrad und seine Berater. Die Landesregierung Schaumburg-
Lippes hatte schon 1923 dazu beigetragen, dass das Vermögen des ehemaligen Fürstentums
Schaumburg-Lippe in “ordnungsgemässe” Bahnen gelenkt wurde. Die Landesregierung war
stets Wegbegleiter.Vieles spricht dafür, dass sie es auch heute ist.
Die Kundgabe dieser Zusammenhänge und Motivationen ist unerwünscht. Deshalb habe
ich derartige Schwierigkeiten mit der Informationsbeschaffung.
Übrigens: Herr Dr. Wendlandt und Frau Claire (auch Cläre geschrieben) Meyer (siehe
Geschäftsverteilungsplan HTO) waren bis 1963 Rechtsanwälte und Notare Wolrads. Meine
Mutter sollte ihnen auf Anregung Philipp Ernsts im Jahre 1972 Vollmachten in
Restitutionssachen geben.