Freitag, 24. Februar 2012

Antwort der Landesregierung in Hannover an die Abgeordneten Helmhold, Wenzel und Limburg

Rein vorsorglich nehme ich die in Artikel 10 EMRK garantierte Freiheit der Meinungsäusserung, das Recht auf freie Meinungsäusserung (vgl  Art. 6 EUV i.V. mit Art. 11 I der Charta der Grundrechte der Europäischen Union; Art. 5 I 1 GG), und das das Recht auf freie Berichterstattung (vgl Art. 6 EUV i.V. mit Art. 11 II der Charta der Grundrechte der Europäischen Union; Art. 5 I 2 GG) in Anspruch.

Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage d. Abg. Wenzel, Helmhold und Limburg (Bündnis 90/Grüne);



Die Anfrage steht im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Erbstreitigkeiten innerhalb der Familie SchaumburgLippe. Dabei geht es nach hiesiger Kenntnis insbesondere um die Frage, in welchem Umfang das Vermögen der bis 1918 regierenden Fürsten zu Schaumburg-Lippe fideikommissrechtlich (Fideikommiss: unveräußerliches und unteilbares Vermögen einer Familie) gebunden oder privates Eigentum einzelner Familienmitglieder im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) war. Im ersteren Fall gelten die besonderen Regeln des Fideikommissauflösungsrechtes, in letzterem Fall die gewöhnlichen erbrechtlichen Vorschriften des BGB. Über die durchgeführten Erb- bzw. Fideikommiss-auflösungsverfahren nach dem Tod von Adolf Fürst zu Schaumburg Lippe im Jahre 1936 bestehen offenbar unterschiedliche Auffassungen zwischen einzelnen Familienmitgliedern. Nach der Herstellung der Einheit Deutschlands wurden nach hiesiger Kenntnis von einem Teil der Erben von Adolf Fürst zu Schaumburg-Lippe mehrere Anträge auf Rückübereignung bei den zuständigen Behörden in Brandenburg und Mecklenburg - Vorpommern über dortige früher der Familie gehörende Güter eingeleitet.  Ein anderer Teil der Familie hat - vertreten durch einen in Madrid als Rechtsanwalt tätigen Enkel von Heinrich Prinz zu Schaumburg-Lippe, dem jüngeren Bruder von Adolf Fürst zu Schaumburg-Lippe - diese Ansprüche auf Rückübereignung angezweifelt: Er vertritt die Auffassung, dass mindestens insoweit die üblichen BGB- rechtlichen Erbregelungen und nicht die fideikommissrechtlichen Bestimmungen gelten. Um seine Rechtsauffassung zu belegen, hat er seit Ende der 1990er Jahre diverse Bestände des Niedersächsischen Landesarchivs (NLA) in den Abteilungen Hauptstaatsarchiv Hannover und Staatsarchiv Bückeburg eingesehen, insbesondere die Akten des seinerzeitigen Fideikommissauflösungsverfahrens beim Oberlandesgericht Celle sowie Nachlass, Register- und sonstige Akten des Landgerichts Bückeburg und der Amtsgerichte Bückeburg und Stadthagen. Der Zugang zu diesem staatlichen Archivgut des Landes Niedersachsen unterliegt gemäß § 5 Abs. 1 des Niedersächsischen Archivgesetzes (NArchG) grundsätzlich keinerlei Beschränkungen; allenfalls Schutzrechte könnten den Zugang ggf. hinausschieben. Da derartige Einschränkungen in diesem konkreten Fall nicht mehr gegeben waren, wurden die gewünschten Einsichten in dieses staatliche Archivgut in vollem Umfang gewährt. Neben dem staatlichen Archivgut verwahrt das NLA auch Archivbestände privater Herkunft, die als sog. Deposita zwar grundsätzlich der öffentlichen Benutzung zur Verfügung stehen, aber weiterhin privates Eigentum des jeweiligen Deponenten bleiben. Die Rechte und Pflichten zwischen dem NLA und dem jeweiligen Eigentümer der Deposita sind, insbesondere im Hinblick auf die Modalitäten der Benutzung, in einem sog. Depositalvertrag geregelt. Nach § 3 Abs. 7 NArchG darf insoweit ausdrücklich von den für staatliches Archivgut geltenden Regelungen der §§ 5 und 6 NArchG für die Benutzung abgewichen werden. Es ist damals auch abgewichen worden: Seit 1971 besteht ein solches Depositum über das Haus- und Kammerarchiv der Fürsten zu Schaumburg-Lippe. Dieses Depositum wird im NLA in der Abteilung Staatsarchiv Bückeburg verwahrt und betreut. Nach dem Depositalvertrag hat der Eigentümer sich für bestimmte Benutzungsfälle die Genehmigung über den Zugang zu diesen Archivalien vorbehalten. Die Anträge des Rechtsanwaltes auf Einsicht in bestimmte Archivalien des Haus- und Kammerarchivs wurden unter Anwendung dieser Regelung vom Eigentümer verweigert. An diese Entscheidung war das NLA gebunden und hat demzufolge den Antrag auf Einsicht abgelehnt. In dem daraufhin angestrengten verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen die ablehnende Entscheidung des NLA hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg letztinstanzlich mit Urteil vom 17.09.2002 entschieden, dass das NLA ordnungsgemäß gehandelt hat, weil in diesem konkreten Fall die Bestimmungen des § 3 Abs. 7 NArchG Vorrang haben gegenüber den für staatliches Archivgut geltenden Benutzungsregelungen der §§ 5 und 6 NArchG. Auch eine dagegen erhobene Restitutionsklage ist mit Beschluss des Oberverwaltungsgericht Lüneburg vom 25.11.2005 verworfen und diese Entscheidung mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.03.2006 bestätigt worden. In diesem Beschluss ist u. a. festgestellt worden, dass das beklagte Land nicht verpflichtet ist, Nachlassunterlagen, die nicht Teil des staatlichen Archivgutes sind, gemäß § 2259 BGB an das zuständige Nachlassgericht abzuliefern. Die betreffenden Unterlagen sind auch nicht Teil des staatlichen Archivguts (Bestand Amtsgericht Bückeburg), sondern Teil des Depositums „Schaumburg - Lippisches Haus- und Kammerarchiv“.

In den Jahren 2007/2008 war dann offenbar bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder ein Strafverfahren anhängig, in dem es vermutlich um Unterschlagung von Beweismitteln und Ähnlichem ging. Im November 2007 wurde hierzu eine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung des Amtsgerichts Frankfurt/Oder erlassen, die sich u. a. gegen die Abteilungen Hauptstaatsarchiv Hannover und Staatsarchiv Bückeburg des NLA gerichtet haben soll. Diese Anordnung wurde dann von den zuständigen Stellen des Landes Brandenburg wohl im Frühjahr 2008 wieder aufgehoben, jedenfalls niemals vollzogen. Zum damaligen Zeitpunkt waren weder dem NLA noch der Staatsanwaltschaft Bückeburg oder der Niedersächsischen Staatskanzlei - als zuständiger Aufsichtsbehörde - irgendwelche Informationen hierüber bekannt. Erst mit einer E-Mail vom 03.07.2009 hat der o. g. Rechtsanwalt den Präsidenten des NLA davon - beiläufig - unterrichtet.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1 bis 3:

Siehe Vorbemerkungen

Staatssekretärin des Ministerpräsidenten

Anmerkung von mir:

Die Abgeordneten werden nach meiner Auffassung in die Irre geleitet. Das Staatsarchiv ist nicht von der Ablieferungspflicht von Testamenten gerichtlich entbunden worden. Es gibt nicht eine gerichtliche Entscheidung die das Staatsarchiv (Staatskanzlei) entbunden hat. Weder das OLG Celle, noch sonst ein Gericht.

Das Amtsgericht Bückeburg, als Nachlassgericht, hatte im Dezember 2005 und im Januar 2006 zur Ablieferung gemäss Paragraf 2259 BGB sowohl das Staatsarchiv als auch Alexander Prinz zu Schaumburg-Lippe aufgefordert.

Diese Aufforderung unterlag nicht einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung. Die von einem Zivilgericht durch hoheitlichen Akt angeordnete Ablieferung an das Nachlassgericht unterlag nicht der Entscheidung der Verwaltungsgerichtsbarkeit die über ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis zu entscheiden hatte (Einsichtnahme durch Nutzer). Fordert ein Zivilgericht zur Ablieferung auf, so unterliegt diese Pflicht der zivilen Gerichtsbarkeit. Die Ablieferungspflicht des § 2259 BGB (und um die geht es in der Anfrage der Abgeordneten) war noch nie Gegenstand einer zivilgerichtlichen Entscheidung. Sie ist keine Frage des öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses aufgrund des Archivgesetzes. Die im BGB geregelte Ablieferungspflicht ist nicht dispositiv. Staatliche Behörden sind zur Ablieferung verpflichtet, vor allem wenn sie Besitzer sind. Möge die Landesregierung eine gerichtliche Entscheidung vorlegen, die die Aufforderung des Amtsgerichts Bückeburg, Testamente an das Gericht abzuliefern, aufgehoben hat. Eine derartige Entscheidung hat es noch nie gegeben, weil sie rechtswidrig wäre. Kein Gericht hat dem NLA untersagt, letztwillige Verfügungen an das Nachlassgericht abzuliefern.


Wenn die Landesregierung behauptet, dass in einem Beschluss des OVG Lüneburg festgestellt wurde, dass das beklagte Land nicht verpflichtet ist, Nachlassunterlagen, die nicht Teil des staatlichen Archivgutes sind, gemäß § 2259 BGB an das zuständige Nachlassgericht abzuliefern, dann liegt hierin eine bewusste Täuschung der rechtlich möglicherweise nicht bewanderten Abgeordneten vor. Es wird der Anschein erweckt, als ob das Land Niedersachsen von der Ablieferung absehen dürfe. Richtig ist, dass die Ablieferungspflicht aufgrund zivilrechtlicher Vorschriften ausnahmslos besteht, unabhängig davon, was das OVG Lüneburg in einem Beschluss ausgeführt haben mag. Streitgegenstand des Verfahrens vor dem OVG Lüneburg war das Einsichtnahmerecht aufgrund Archivgesetz. Dieser Streitgegenstand ist zu unterscheiden von der allgemeinen Ablieferungspflicht an das Nachlassgericht gemäss § 2259 BGB. Sind die letztwilligen Verfügungen beim Nachlassgericht, dann kommt es zur Testamentseröffnung und die Frage, ob Erben oder Vermächtnisnehmer ein Einsichtnahmerecht haben, entscheidet dann der zuständige Richter (des Nachlassgerichtes), kein Verwaltungsgericht. Ich werte die Ausführungen der Staatskanzlei als Täuschung. 

Wie wäre es wenn nun endlich die Unterlagen an das Gericht übergeben werden ?  Die Ablieferungspflicht besteht auch heute noch.

Weitere Informationen hier: 

http://www.vierprinzen.com/2012/02/sachdienliche-hinweise-zur-kleinen.html



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Alexander vom Hofe
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