Heinrich
Prinz zu Schaumburg-Lippe: „Wiedergutmachung muss sein …“ Tagebuch 1938 / 1945
– 1947. Herausgegeben von Alexander vom Hofe. [Bearbeitet von Werner Lehfeldt.]
Göttingen (MatrixMedia Verlag) 2016, m. Abb.; geb. 263 Seiten. 24,90 €
Es
handelt sich hier um das Tagebuch des Offiziers Heinrich Prinz zu
Schaumburg-Lippe (1894-1952), dem das Prädikat „Hochfürstliche Durchlaucht“
zumindest bis 1918 zustand. Im Niederdeutschen wurde er mit „Durchlauchten“
angeredet. - Er war der fünfte von sechs Söhnen des regierenden Fürsten Georg
v. Schaumburg-Lippe, der bis 1911 regierte. Prinz Heinrichs ältester Bruder,
Fürst Adolf II., war 1936 in Mexiko tödlich mit dem Flugzeug verunglückt. Ein
zweitältester Bruder Moritz war bereits verstorben. Nun war der drittälteste Bruder,
Prinz Wolrad, lange Zeit Chef des Gesamthauses. Der vierte Bruder, Prinz
Stephan, war Diplomat. - Dazwischen steht dann unser Autor als fünfter Bruder.
- Der jüngste Bruder, Prinz Friedrich Christian, war Ministerialrat im sog.
Propaganda-Ministerium gewesen. Es gab auch zwei Schwestern, von denen eine als
Kind und die andere als junge Frau verstorben sind.
Prinz
Heinrich war verheiratet mit Erika Gräfin von Hardenberg. Mit ihr hatte er eine
Tochter Dagmar, die später den Kaufmann
Christoph Kalau vom Hofe heiratete. Deren Sohn, der in Madrid lebende Alexander
vom Hofe, ist nun Herausgeber dieses Buches und hat dazu ein wertvolles Vorwort
beigesteuert.
Da
der erste Teil des Tagebuches fast ausschließlich mit jagdlichen Themen ausgefüllt
ist, hat man hier nun den zweiten Teil von 1938 und 1945 - 1947 publiziert.
Heinrich
zu S. - L. wohnte damals in Nebengebäuden des Bückeburger Schlosses. An den Geschäften
der Hofverwaltungen hatte er zu seinem Leidwesen als nachgeborener Prinz keinen
Anteil. Er hat eine Kadettenausbildung in Berlin-Lichterfelde durchlaufen und
legte dabei das Abitur ab. Am Ersten Weltkrieg nahm er als aktiver Offizier
teil. Er war dann auch Freimaurer - oder zumindest Mitglied einer dem
Freimaurertum ähnlichen Loge - und gehörte zum Kreis um den esoterischen
Schriftsteller Joseph Schneiderfranken (Bo Yin Ra). Dieser hatte ihm geraten,
von der Politik fernzubleiben. Außer etwas Landwirtschaft und Viehzucht ging
Heinrich zu S. - L. eigentlich keiner
geregelten Tätigkeit nach. - Im Zweiten Weltkrieg reaktiviert, leistete er als
Hauptmann des Heeres 1939-1940 Dienst im
Westen (Sicherungs-Truppenteil) und wurde dann wie die meisten Prinzen zur
Disposition gestellt.
Er
schilderte in seinem Tagebuch die Eindrücke durch die äußeren Ereignisse:
Autobahnbau, militärische Aufrüstung, die Sudetenkrise, das Münchener Abkommen,
den Weg in den Krieg, die wechselvollen Kriegsereignisse, die eindeutige
deutsche Niederlage. Dann folgen die Besetzung durch die Amerikaner, manche
marodierende Polen, das inkonsequente britische Besatzungsregime und die Sorge
um die Nahrung und Heizung und um den Erhalt der natürlichen Ressourcen im kleinen Land Schaumburg-Lippe. Es existierte
staatsrechtlich bis zum November 1946.
Er
polemisierte gegen den etwas farblosen älteren Bruder Fürst Wolrad. (Der
Fürstentitel stand ihm nur aus Höflichkeit, nicht gemäß dem Namensrecht zu.) Er
lasse sich brieflich mit „gnädigster Fürst und Herr“ anreden und trage doch das
Braunhemd der SA. Auch bei einer staatlichen Trauerfeier für einen Diplomaten
im Bückeburger Schloss trug Wolrad gewissermaßen als Hausherr ein solches
Braunhemd. Er (W.) durfte nach 1945
seinen Wohnort für zwei Jahre nicht verlassen. – Heinrichs Hoffnung, ihn als
Chef des Hauses nach 1945 ablösen zu können, erfüllte sich dann aber auch
nicht.
In
diesem Tagebuch denkt der Verfasser viel über die inneren Grundlagen einer
jeden staatlichen Gemeinschaft nach und verwarf das Massen- oder Führerprinzip.
- Zur Tarnung musste er in den Zeiten des NS-Regimes auch dementsprechende
angepasste Passagen einbauen, wie er später einräumte oder es sich
zurechtlegte, aber seine Gegnerschaft zu den braunen Machthabern und sein
Hinneigen zum monarchischen Gedanken und zum entschiedenen Christentum wird
hier schon ziemlich deutlich. Später im Text lobte er die innere Haltung der
vertriebenen und enteigneten ostelbischen Gutsbesitzer, die unter Zurücklassung
ihrer Habe nach Westen geflohen waren und doch nicht verzagten. – Er lernte
nach dem Zusammenbruch des deutschen Staates auch die Eigensucht und
Wehleidigkeit der Menschen im Zeichen des Hungers und der Kälte (in der
britischen Zone) kennen. Auch er selbst wirkt in diesem Buch manchmal etwas
eigensüchtig. – Zu dem damaligen Vorsitzenden der Regierung dieses kleinen
Landes Schaumburg-Lippe, Heinrich Bövers, hatte er dann ein recht gutes
Verhältnis. – Etwas überzogen ist im
Allgemeinen sein Lob der wirtschaftlichen Privatinitiative im Kontrast zur
Sozialgesetzgebung. Seine Ablehnung des gesetzlichen Achtstundentages wirkte
dann schon etwas obsolet. Zuzustimmen ist ihm, wenn er staatliche Arbeitsbeschaffungsprogramme
nur als erste Übergangsmaßnamen ansieht.
Er
befürwortete dann auch sehr den Gedanken der Vereinigten Staaten von Europa und
trat zugleich für den Erhalt der föderalen deutschen Einzelstaaten ein.
Als
altgedienter Waidmann war er darüber verstimmt, dass die Besatzungssoldaten und
befreite Ausländer wahllos das Wild in den Wäldern erlegten und das geschossene
oder verletzte Wild nicht einsammelten oder ihm nachgingen. Er warf ihnen auch
die Verschiebung von Tafelsilber und den
unkorrekten Umgang mit seinen Möbeln vor. – Seinem älteren Bruder nahm er es
etwas übel, dass dieser seinen Sohn, der auf Urlaub im Raum Bückeburg weilte, beim
Herannahen westlicher Truppen (Amerikaner) zur Rückkehr zu seiner Wehrmacht-Truppe
überredete. So ist Erbprinz Georg-Wilhelm dann Ende April 1945 bei Meißen
(Sachsen) gefallen.
Prinz
Heinrich erlebte das Kriegsende als Volkssturm-Mann in Bückeburg. Seine Familie
hatte er zunächst im Jagdschloss Baum bei Bückeburg untergebracht, dann in
einer Försterei Rusbend. – Mit den amerikanischen und britischen Offizieren und
einem amerikanischen Militärjuristen hat er dann gute oder
durchwachsen-mittelmäßige Erfahrungen gemacht. Er berichtete danach auch von
einem Besuch des in Mitteldeutschland lebenden liberalen Juristen Dr. Wilhelm
Külz, der 1926 Reichsinnenminister und noch früher Oberbürgermeister von
Bückeburg gewesen war.
Es
handelt sich um das Werk eines begabten, christlich-konservativen
(evangelisch-reformierten) Aristokraten, der vom Fronterlebnis des Ersten
Weltkriegs mitgeprägt war. Er schildert anschaulich die Abläufe in der Fürstendynastie Schaumburg-Lippe einschließlich
der Nebenlinie Nachod (Böhmen). Es ist eine Mischung von Weltschmerz und
Realismus, weniger von tätigem Mitwirken an den Ereignissen. - Lesenswert ist
das anregende Werk durchaus.
Es
ist ein Namensverzeichnis des Hauses Schaumburg-Lippe, ein allgemeines Namensverzeichnis
und ein Anmerkungsteil dem Text angefügt - sowie auch eine Stammtafel des ehemaligen
fürstlichen Hauses Schaumburg-Lippe. Den Anmerkungsteil erstellte Prof. Dr. Dr.
h. c. Werner Lehfeldt.
Friedrich Winterhager
Friedrich Winterhager |
zur Person Dr. Friedrich Winterhager
ISBN-13: 978-8460985235
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