Und nun zum "Fürsten"
Es geht um Ausgleichsleistungen für Ländereien in Mecklenburg und Brandenburg
Die Bemessungsgrundlagen betragen unbereingt 10.821.483, 99 euro.
Nun hatte ich Unterlagen eingereicht um zu bewirken, dass die Verfahren wiederaufgegriffen werden.
Ob eine Erbengemeinschaft oder ein Alleinerbe berechtigt ist hat Konsequenzen für den Steuerzahler, da mindestens zwei Mitglieder der Erbengemeinschaft (also 2/5 der Ansprüche) wegen Vorschubleistens im Nationalsozialismus keinen Anspruch hätten.
Trotz Vorliegens neuer Unterlagen die es rechtfertigen, die Verfahren wieder aufzugreifen, sieht das Finanzministerium in Schwerin keinerlei Anlass den Vorgang aufzugreifen.
Rechtsmittel
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Bei der Beantwortung der Frage
nach der Widerruflichkeit begünstigender Verwaltungsakte sind auch im Rahmen
des Lastenausgleichsrechts, soweit notwendig, die Grundsätze des allgemeinen
Verwaltungsrechts heranzuziehen.
- 2.
- a)
Danach kann ein begünstigender
Verwaltungsakt auf dem Gebiet des Lastenausgleichs u.a. dann widerrufen werden,
wenn die für seinen Erlaß maßgebliche Sachlage auf Grund unrichtiger oder
unvollständiger Angaben des Antragstellers unzutreffend beurteilt worden und
der Verwaltungsakt deshalb rechtswidrig ist.
- b)
Ob ein solcher Verwaltungsakt mit
rückwirkender Kraft oder nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden
kann, ist nur für den Einzelfall, insbesondere je nach dem rechtlichen Inhalt
des fehlerhaften Verwaltungsaktes, dem Grund der Widerruflichkeit und dem mit
dem Widerruf verfolgten Zweck zu entscheiden.
- 3.
- a)
Vertrauensschutz in der Form, daß
der nach diesen Grundsätzen an sich zulässige Widerruf ausgeschlossen oder
eingeschränkt wäre, kann in der Regel jedenfalls dann nicht gewährt werden,
wenn den Antragsteller an der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit seiner
Angaben ein - sei es auch nur leichtes - Verschulden trifft.
- b)
Ist die Behörde dagegen ohne
Verschulden des Antragstellers von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen,
so kann nach Lage des Einzelfalles der Widerruf zumindest dann ausgeschlosser
sein, wenn die Unrichtigkeit des Sachverhalts der Behörde lediglich infolge
eigenen groben Verschuldens unbekannt geblieben ist
- 4.
Wer Ausgleichsleistungen zu
Unrecht empfangen hat, ist grundsätzlich verpflichtet, diese an den
Ausgleichsfonds zurückzuzahlen.
In der Verwaltungsstreitsache
hat das Bundesverwaltungsgericht - IV. Senat -
durch
die Bundesrichter Dr. Kniesch, Lentz, Oswald, Dr. Müller und Dr. de
Chapeaurouge
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 1957
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die
Revision des Klägers wird das Urteil des Landesverwaltungsgerichts Hamburg vom
10. August 1956 - Az.: IX b VGL 279/56 - samt den ihm zugrunde liegenden
tatsächlichen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an
das Landesverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf
730 DM festgesetzt.
Gründe
1
I.
Der Kläger, von Beruf Tischlermeister, verlor im Jahre 1943 durch
Bombeneinwirkung seine Wohnungseinrichtung, insbesondere ein
Mahagoni-Wohnzimmer und ein Mahagoni-Schlafzimmer und außerdem das für seine
Berufsausübung erforderliche Werkzeug. Er beantragte im Herbst 1952 die
Feststellung von Kriegssachschäden und Anfang 1953 die Gewährung von
Hausratentschädigung. Die an ihn gezahlten Entschädigungsleistungen nach der
Kriegssachschädenverordnung vom 30. November 1940 - RGBl. I
S. 1547 - gab er dabei mit 700 RM an. In einer von der
Feststellungsbehörde angelegten Notakte fand sich dagegen ein Antrag des
Klägers "auf Ersatzleistung für Sachschäden" vom 12. September
1950, in welchem die Höhe des Schadens mit 12.600 RM und die geleisteten
Vorauszahlungen mit insgesamt 7.000 RM angegeben waren. Im Benehmen mit
dem Kriegsschädenamt ging das Ausgleichsamt jedoch davon aus, daß die Angabe
des Klägers, er habe 7.000 RM an Vorauszahlungen erhalten, von Irrtum
beeinflußt gewesen sei, die Vorauszahlungen vielmehr nur 700 RM betragen
hätten. Es bewilligte dem Kläger daher mit Bescheid vom 13. Januar 1954
eine Hausratentschädigung in Höhe von 730 DM, die inzwischen ausgezahlt
ist.
2
Anläßlich der
Bearbeitung des Antrages des Klägers auf Zuerkennung der Hauptentschädigung stellte
das Ausgleichsamt fest, daß dieser die Vorauszahlungen mehrfach mit
7.000 RM beziffert hatte. So beantwortete er in einem Antrag vom
15. September 1950 auf Gewährung von Hausrathilfe nach Soforthilferecht
die Frage nach der Höhe der Vorauszahlungen mit "ja, ca. 7.000 Mark"
und führte dazu im Ergänzungsantrage aus:
"1943 erhielt ich ca. 7.000 Mark, welche mit 2.200 RM
Ersparnissen am Währungstage verlustig gingen."
3
Auch in einem
Antrag auf Gewährung von Soforthilfe und Aufbauhilfe vom 13./14. Juni 1950
gab der Kläger an, daß er bereits Zahlungen von insgesamt 7.000 RM
erhalten habe. In der hierzu gegebenen näheren Begründung erklärte er:
"Ich habe für meinen angemeldeten und anerkannten Bombenschaden
insgesamt 7.000 RM erhalten. Es war in der damaligen Kriegszeit absolut
nicht möglich, Werkzeuge oder Materialien zu kaufen, so daß ich meine 7.000
zuzüglich weiterer 2.200 bei der Währungsumstellung wieder verloren habe,"
4
In einem
Schriftsatz des Klägers in der gleichen Sache vom 26. Mai 1951 heißt es
schließlich nochmals:
"Auch die mir gegen diesen, seinerzeit angemeldeten Bombenschaden
zugestandenen und ausbezahlten RM 7.000 konnte ich zur Werkzeugs-Anschaffung
nicht verwerten."
5
Mit Schreiben
vom 28. März 1952 hatte dagegen der Kläger, nachdem unter Hinweis auf die
Höhe der erhaltenen Vorauszahlungen beide Anträge durch Bescheide vom
15. Januar 1951 und 6. März bzw. 6. Juni 1952 abgelehnt worden
waren, diese Angaben später widerrufen:
"Wie ich zu meinem Schreck feststellen mußte, habe ich bei der
Ausstellung meiner Notakte die Vorauszahlungen irrtümlich mit RM 7.000
angegeben. In Wirklichkeit habe ich aber nur RM 700 erhalten, und zwar RM 200
im Bieberhaus und RM 500 im Sprinkenhof. Ich bitte um Berichtigung der
Vorauszahlung auf RM 700, Bemerken möchte ich noch, daß seinerzeit meine
Originalakte nicht aufzufinden war, und ich die Notakte im Zimmer 622 schnell
ausstellen mußte, wo mir dann wohl der Fehler mit der einen 0 zuviel
unterlaufen ist."
6
Im Zuge der erneuten Ermittlungen äußerte sich die Kriegsschädenabteilung
dahin, es müsse angenommen werden, daß die Vorauszahlungen 7.000 RM
betragen hätten; dies um so mehr, als nach einer Karteinotiz die verlorenen
Kriegsschadensakten im Jahre 1944 an die Kreisverwaltung abgegeben worden,
seien "zur weiteren Vorauszahlung", was bei Zahlungen über
5.000 RM hinaus regelmäßig geschehen sei. - Zu den eigenen Angaben
vernommen, erklärte der Kläger vor dem Ausgleichsamt im Juli 1955 u.a., er
habe im August 1943 300 RM und kurze Zeit später 400 EM auf seinen
Schaden erhalten; weitere Vorauszahlungen seien nicht geleistet worden. In
einer zweiten Vernehmung im August 1955 erklärte sich der Kläger außerstande,
anzugeben, wie es zu dem Widerspruch in seinen Angaben gekommen sei.
7
Das Ausgleichsamt sah es nunmehr als festgestellt an, daß der Kläger nicht
700 HM, sondern 7.000 HM an Entschädigungsvorauszahlungen erhalten
habe, mithin Zahlungen von mehr als 50 % des anzuerkennenden Verlustes. Durch
erneuten Bescheid vom 15. September 1955 wies es daher den Antrag des
Klägers auf Feststellung und Hausratentschädigung zurück und hob gleichzeitig
den ursprünglichen Bescheid vom 13. Januar 1954 auf mit der Maßgabe, daß
der Kläger gemäß § 350 a des Gesetzes über den Lastenausgleich vom
14. August 1952 (BGBl. I S. 446) - LAG - verpflichtet sei, den
zuviel erhaltenen Betrag von 730 DM zu erstatten. Dieser Bescheid wurde
durch Beschluß des Beschwerdeausschusses vom 29. Februar 1956 bestätigt.
8
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Auch das Land es
Verwaltungsgericht Hamburg sah als erwiesen an, daß der Kläger nicht
700 RM, sondern 7.000 RM an Vorauszahlungen erhalten habe. Da nach
den eigenen Erklärungen des Klägers der Schaden 12.600 RM betragen habe,
sei mithin - im Hinblick auf § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes über
die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegs Sachschäden
(Feststellungsgesetz) in der Fassung vom 14. August 1952 (BGBl. I
S. 534) [FG] - der Bescheid vom 13. Januar 1954 rechtswidrig und
demnach aufzuheben gewesen. Es entspreche auch der Rechtslage, daß das
Ausgleichsamt die-Rückzahlung der zu Unrecht empfangenen Hausratentschädigung
angeordnet habe. Der Kläger sei nämlich bei Erhalt der Entschädigung nicht
gutgläubig gewesen, da ihm nach Lage der Dinge die richtige Höhe der
Vorauszahlungen habe bekannt sein müssen.
9
Gegen das Urteil hat der Kläger Zulassungsbeschwerde eingelegt und ferner
Revision mit dem Antrage,
10
unter Abänderung des Urteils des Landesverwaltungsgerichts Hamburg vom
10. August 1956 ... den Bescheid des Ausgleichsamtes Hamburg-Mitte vom
15. September 1955 und den Beschluß des Beschwerdeausschusses vom
29. Februar 1956 aufzuheben.
11
Durch Beschluß vom 29. Mai 1957 hat der erkennende Senat die Revision
zugelassen.
12
Zur Sache hat sich der Kläger im wesentlichen wie folgt geäußert: Nach wie
vor behaupte er, daß nur 700 RM an Vorauszahlungen geleistet worden seien.
Diesen Punkt habe das Landesverwaltungsgericht nicht mit der erforderlichen
Sorgfalt aufgeklärt und dabei nicht genügend beachtet, daß die Behörde nicht
imstande sei, entsprechende Quittungen vorzulegen. Daraus sich ergebender
Zweifel gehe aber zu Lasten der Behörde. Die Rücknahme eines unrichtigen
Lastenausgleichsbescheides sei nur unter den Voraussetzungen des
§ 360 LAG und nur unter Beachtung des dort vorgesehenen Verfahrens
zulässig. Aber auch dann, wenn für die Rücknahme die Grundsätze des allgemeinen
Verwaltungsrechts maßgebend wären, käme eine solche nur in Frage, wenn der
Verwaltungsakt erschlichen sei. Nach den Feststellungen des
Landesverwaltungsgerichts könne hiervon jedoch nicht gesprochen werden.
13
Die Beklagte meint demgegenüber, die Aufhebung oder Abänderung eines
Verwaltungsaktes im Rahmen des Lastenausgleichsrechts sei von der Regelung des
§ 360 LAG nicht abhängig. Diese Vorschrift habe eine gänzlich andere
Funktion. Angesichts der vielen, der Natur der Sache nach bestehenden
Ungewißheiten in den Beweisverfahren habe der Gesetzgeber einen nachhaltigen
Druck auf die Wahrheitsfindung ausüben wollen und daher ein bestimmtes
Verhalten unter die Sanktion des völligen Leistungsausschlusses gestellt. Ein
Gegenstück zu § 360 LAG sei mithin nicht die Widerrufslehre des
allgemeinen Verwaltungsrechts, eher vielmehr das Strafrecht, wenn auch § 360 LAG
eine eigentliche Strafrechtsnorm nicht darstelle. Nach allgemeinem
Verwaltungsrecht, das in dem Rundschreiben des Präsidenten des
Bundesausgleichsamtes vom 12. September 1956 weitgehend berücksichtigt
werde, sei aber Verschulden schlechthin, also auch bloße Fahrlässigkeit, ein
Widerrufsgrund. Die früher vertretenen Einschränkungen in bezug auf den
Widerruf unanfechtbar gewordener begünstigender Verwaltungsakte seien heute
nicht mehr voll hinzunehmen. Ein Wandel der Rechtsanschauung könne zwar niemals
zum Widerruf eines Verwaltungsaktes führen; wenn aber der Geschädigte zum
Zustandekommen des Verwaltungsaktes beigetragen habe, etwa durch falsche
Angaben usw., so müsse der Verwaltungsakt beseitigt werden können. Es dürfe
keinen Vertrauensschutz geben, wenn unzutreffende Angaben gemacht worden seien.
Für das Lastenausgleichsrecht seien darüber hinaus namentlich folgende
Gesichtspunkte maßgebend: Die Ausgleichsbehörden seien weitgehend auf die als
wahr zu unterstellenden Angaben des Antragstellers in den vorgedruckten Formularen
angewiesen. Die darauf beruhenden Verwaltungsakte müßten deshalb abänderbar
sein, wenn die Angaben nicht stimmten. Die Lastenausgleichsbehörden seien im
Interesse des Staatsbürgers gehalten, schnell zu arbeiten; ein gewisser
Prozentsatz von Fehlentscheidungen werde daher in Kauf genommen. Der Staat
leiste demgemäß Vertrauen vor. Der Staatsbürger müsse mithin die Folgen tragen,
wenn dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt gewesen sei.
14
Der Beteiligte führt aus: Bei der Regelung des § 360 LAG handle
es sich um einen besonders qualifizierten Tatbestand und nicht um die Frage, ob
und unter welchen Voraussetzungen Verwaltungsakte auf dem Gebiet des
Lastenausgleichs widerrufen werden könnten, die fehlerhaft und gesetzwidrig
seien. Hier seien vielmehr die Regeln des allgemeinen Verwaltungsrechts über
die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte anzuwenden, was klar aus dem
Gesetz zu ersehen sei. Zum Tatsächlichen fälle allerdings auf, daß der Kläger
in bezug auf die 7.000 RM auch von dem Verlust seiner Werkzeuge spreche.
Möglicherweise seien auch hierfür Zahlungen erfolgt, nicht nur für den
Hausratschaden.
15
II.
Die kraft Zulassung statthafte Revision mußte zur Zurückverweisung der
Sache führen.
16
1.
Das Vordergericht geht davon aus, es sei tatsächlich festgestellt, daß der
Kläger für seinen Hausratschaden mehr als 50 vom Hundert durch
Entschädigungszahlungen auf Grund der Kriegssachschädenverordnung vom
30. November 1940 entschädigt worden sei und daß ihm die richtige Höhe der
Vorauszahlungen bekannt gewesen sein müsse. Rechtlich sei die Lage dahin zu
beurteilen, daß rechtswidrige Bescheide aufgehoben werden könnten und zu
Unrecht empfangene Leistungen von einen nicht gutgläubigen Empfänger
zurückzuerstatten seien. - Allein auf Grund der bisherigen tatsächlichen
Feststellungen konnten die rechtlichen Folgerungen in dem angefochtenen Urteil,
die noch der Erörterung bedürfen, nicht gezogen werden. Das
Landesverwaltungsgericht hat zwar festgestellt, daß der Kläger insgesamt
7.000 RM Entschädigungsvorauszahlungen erhalten habe. Indessen hätte es
zusätzlicher Feststellungen darüber bedurft, für welchen Schaden der Kläger die
7.000 RM empfangen hatte, allein für den Verlust des Hausrats oder auch
für die - als solche offensichtlich nicht umstrittene - Einbuße des Werkzeugs.
Wenn nämlich auf den Werkzeugschaden beispielsweise nur ein Teilbetrag von
700 RM der insgesamt geleisteten Entschädigungsvorauszahlungen entfallen
sollte, wäre - vorausgesetzt, daß die Höhe des Hausratschadens wirklich
12.600 RM beträgt, insbesondere in dieser Summe der Werkzeugverlust nicht
inbegriffen ist - im vorliegenden Falle die 50 %-Grenze noch nicht
überschritten. Dies bedarf noch weiterer Aufklärung, so daß schon aus diesem
Grunde Zurückverweisung geboten ist.
17
Wird demnach die Höhe der auf den Hausratschaden geleisteten
Vorauszahlungen ohnehin nochmals zu erörtern sein, so sei in diesem
Zusammenhang, obwohl eine der Formvorschrift des § 57 Abs. 2
Satz 2 des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September
1952 (BGBl. I S. 625) -BVerwGG - entsprechende Revisionsrüge insoweit
nicht erhoben ist, vorsorglich noch folgendes bemerkt: Da das
Landesverwaltungsgericht, seine Feststellung, es seien nicht 700, sondern
7.000 RM an Entschädigungsvorauszahlungen geleistet worden, in entscheidendem
Umfang auf die eigenen Angaben des Klägers stützt, hätte es nach Auffassung des
Senats, zumal der Kläger die betreffenden Angaben später widerrufen hat, im
vorliegenden Falle nahegelegen, zu den maßgeblichen Fragen den Kläger nochmals
persönlich zu vernehmen. Das wird mit nachzuholen sein.
18
Keine entscheidende Bedeutung mißt der Senat dagegen - wie ebenfalls
vorsorglich bemerkt sei - dem Umstand bei, daß die Ausgleichsbehörde Quittungen
über die seinerzeit geleisteten Entschädigungsvorauszahlungen offenbar nicht
vorzulegen vermag. Unter Berücksichtigung der Zeitumstände ist keineswegs
auszuschließen, im Einzelfall eine Vorauszahlung auch ohne Vorhandensein von
Quittungen mit hinreichender Sicherheit anzunehmen.
19
2.
Sollte die weitere Aufklärung ergeben, daß der Kläger (bei einem
Schadensbetrag von 12.600 RM) tatsächlich 7.000 RM an
Voraussahlungen, und zwar allein auf seinen Hausratschaden, erhalten hat, so
wäre allerdings davon auszugehen, daß der ursprüngliche Bescheid vom 13. Januar
1954 der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 4 FG widersprach;
dann könnte auch angenommen werden, daß die Gesetzwidrigkeit auf die insoweit
unrichtigen Angaben des Klägers zurückzuführen ist. Allein hieraus kann jedoch
noch keineswegs geschlossen werden, daß der fragliche Bescheid mit
rückwirkender Kraft widerrufen werden durfte. Auch insoweit bedarf es vielmehr
weiterer Aufklärung, wie noch darzulegen sein wird.
20
a)
Der Senat ist grundsätzlich der Auffassung, daß bei der Beurteilung der
Frage der Widerruflichkeit begünstigender Verwaltungsakte auch im Rahmen des
Lastenausgleichsrechts ergänzend nach dem allgemeinen Verwaltungsrecht zu
verfahren ist.
21
Im
Lastenausgleichsrecht ist allerdings in gewissem Umfange bereits Vorsorge
getroffen, daß die Behörde nicht unter allen Umständen an einen einmal
erlassenen (begünstigenden) Verwaltungsakt gebunden ist. So ist u.a. vorgesehen
die Gewährung
"vorläufiger" Unterhaltshilfe (§ 2 der Ersten Verordnung über
Ausgleichsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz - 1. LeistungsDV-LA -
vom 24. November 1952 [BGBl. I S. 742]);
die Möglichkeit
des Erlasses eines Vorbehaltsbescheides (§ 335 a Abs. 1 LAG,
§ 37 a Abs. 1 FG);
die Möglichkeit
der Berücksichtigung nachträglicher tatsächlicher Veränderungen im Bereiche der
Kriegsschadenrente §§ 288, 343 Abs. 1 LAG;
sowie unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendung des
§ 360 LAG zum Nachteil des Geschädigten.
22
In diesen meist begrenzte oder Sondertatbestände behandelnden Vorschriften
kann jedoch eine erschöpfende und ausschließliche Regelung der Widerruflichkeit
von Verwaltungsakten auf dem Gebiet des Lastenausgleichsrechts nicht gesehen
werden. Dem Senat erscheint es - nicht zuletzt auch aus praktischen Erwägungen
- vertretbar, ergänzend die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts
heranzuziehen, zumal die Vorschrift des - durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes vom
12. Juli 1955 (BGBl. I S. 403) eingefügten - § 335 a
Abs. 2 LAG "die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts,
nach denen Bescheide ohne ausdrücklichen Vorbehalt geändert, zurückgenommen
oder sonst aufgehoben werden können", unberührt läßt. Auch das neuere
Schrifttum gelangt überwiegend zu demselben Ergebnis, vgl. Kühne-Wolff
"Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich", Anm. 1 zu § 335 a
LAG und zu § 37 a FG, Harmening "Lastenausgleich", Anm. 9 zu
§ 335 a LAG, Fauser in RLA 1954, 270 f., Töpfer in
ZLA 1955, 113 f., Zschacke in ZLA 1955, 145 ff.,
Schulze in DÖV 1957, 393, Schaefer in RLA 1955, 305 ff.,
337 ff.
23
Einer Heranziehung von Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts steht
die Bestimmung des § 360 LAG nicht entgegen. Diese Sondervorschrift
betrifft regelmäßig einen Verfahrensabschnitt, in dem ein Verwaltungsakt noch
gar nicht erlassen ist. In seiner ganzen Ausgestaltung hat diese Vorschrift
sehr wohl neben den allgemeinen Grundsätzen über den Widerruf Bedeutung. Sie
ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen
Rechtsgedankens der Verwirkung von Ansprüchen durch treuwidriges Verhalten und
geht in ihrer Bedeutung über die bloße Herstellung eines gesetzmäßigen
Zustandes hinaus, vgl. auch BVerwG III C 230.55, Urteil vom 17. Mai 1956,
vgl. auch Schaefer a.a.O. S. 311 und Zschacke a.a.O. S. 146.
24
b)
Gegen die Anwendung von Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts bei
der Frage des Widerrufs von Verwaltungsakten im Lastenausgleich werden von
einem Teil des Schrifttums (vgl. namentlich Jochem "Der
Lastenausgleich" 1954 S. 332 ff. und Richter in
ZLA 1955, 53 ff., 67 ff.) Bedenken insofern erhoben,
als mit Rücksicht auf die besondere Ausgestaltung des Verfahrens vor den
Lastenausgleichsbehörden deren Entscheidungen "in die Nähe des
richterlichen Urteils gerückt" und daher nur in den im Gesetz ausdrücklich
vorgesehenen Fällen nachträglich abänderbar seien. Der Senat vermag indessen
dieser Ansicht nicht zu folgen; im Ergebnis ebenso u.a. Fauser a.a.O.
S. 271 und Schaefer a.a.O. S. 337.
25
In Rechtsprechung und Wissenschaft wird zwar teilweise die Auffassung
vertreten, daß einem sogenannten streitentscheidenden, das Bestehen oder das
Nichtbestehen eines Rechts oder einer Verpflichtung feststellenden
Verwaltungsakt einem richterlichen Urteil wesensverwandte Wirkung dann zukommt,
wenn er in einem prozeßähnlichen Verfahren zustande gekommen, insbesondere eine
Klärung des Tatbestandes unter Anhörung. der Beteiligten vorausgegangen ist
(vgl. das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juli 1953
[BVerfGE 2, 381 ff., 393 f. [BVerfG 01.07.1953 -
1 BvL 23/51]] mit weiteren Nachweisen). Ob die dem richterlichen Urteil
zukommende materielle. Rechtskraft auch auf Verwaltungsakte ausgedehnt werden
kann, erscheint jedoch - insbesondere im Hinblick auf die neuere
Rechtsentwicklung mit ihrer scharfen Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung
- ganz allgemein keineswegs unzweifelhaft (ablehnend z.B. der BGH in einem
Urteil vom 19. März 1953 [BGHZ 9, 129]; zu vgl. ferner u.a.
Dickmann in DÖV 1957, 278 ff. [280], Doch kann dies hier
dahingestellt bleiben, ebenso ob insbesondere die Entscheidungen des
Ausgleichsausschusses die zur Annahme der materiellen Rechtskraft
erforderlichen Voraussetzungen überhaupt erfüllen. Denn das Problem der
materiellen Rechtskraft von Verwaltungsakten ist einer einheitlichen Lösung
ohnehin nicht zugänglich. Es kommt vielmehr auf die Eigenart des jeweiligen
Verwaltungsaktes und auf die besondere Gestaltung des Verfahrens, aus dem der
Verwaltungsakt hervorgeht, an (BVerfG a.a.O. S. 393, Forsthoff
"Lehrbuch des Verwaltungsrechts", I. Band, 5. Aufl. S. 212 mit
weiteren Nachweisen). Es kann zwar nicht übersehen werden, daß das Verfahren
vor den Ausgleichsbehörden, selbst in der unteren Instanz, nicht einer gewissen
Förmlichkeit entbehrt, die, wie noch auszuführen sein wird, durchaus auch für
den Bestand der in diesem Verfahren zustande kommenden Verwaltungsakte
Bedeutung haben kann. Andererseits zeigt aber gerade die Durchführung des
Lastenausgleichs die Kehrseite einer modernen Massenverwaltung, die außer den
naturgemäß hieraus sich ergebenden Schwierigkeiten häufig unter starkem
Zeitdruck und unter schwierigen personellen Bedingungen arbeiten muß (vgl.
hierzu insbesondere Fauser a.a.O. S. 271 und Schaefer a.a.O. S. 307).
Unter diesen Umständen gewährleistet das Verfahren vor den Ausgleichsbehörden -
jedenfalls in der unteren Instanz - vorerst nicht annähernd das Maß an
Sicherheit für die weitgehende Richtigkeit der erlassenen Entscheidungen, wie
es bei gerichtlichen Urteilen vorausgesetzt werden kann, um die grundsätzliche
Unabänderlichkeit einmal erlassener Bescheide wirklich, zu rechtfertigen (so wohl
auch Zschacke a.a.O. S. 146, 147).
26
c)
Auf die mithin grundsätzlich anwendbaren Regeln des allgemeinen
Verwaltungsrechts kommt es vorliegend an, da hier ein Verwaltungsakt auf Grund
von Angaben des Antragstellers ergangen ist, die möglicherweise in wesentlicher
Beziehung von vornherein unrichtig oder unvollständig waren. Für einen
derartigen Sachverhalt gibt es im Lastenausgleichsrecht hinsichtlich des
Widerrufs eines daraufhin ergangenen Verwaltungsaktes bisher keine ausreichende
Regelung. Denn - wie erwähnt - regelt § 360 LAG einen
Sondertatbestand, der über die Wiederherstellung eines gesetzmäßigen Zustandes
hinausgeht.
27
Daß die richtige Anwendung der Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts
in der Revisionsinstanz nachprüfbar ist, sei vorsorglich bemerkt. Diese
Grundsätze sind jedenfalls insoweit einer Erörterung durch das
Bundesverwaltungsgericht zugänglich, als sie - wie hier - der Ergänzung von
Bundesrecht dienen (ebenso Bettermann in DVBl. 1956, 11 ff. [14], vgl.
hierzu auch u.a. Beschluß des Bundesverwaltungsgerichtsvom 25. September
1953 - BVerwG II B 107.53 - in DÖV 1954, 26 undUrteil vom 21. Januar 1955 - BVerwG II C 177.54 -
BVerwGE 2, 22 [BVerwG 21.01.1955 - II C 177/54]). Ob darüber
hinaus Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts einer Nachprüfung durch das
Bundesverwaltungsgericht unterliegen, brauchte hier nicht entschieden zu
werden.
28
d)
Aus den mehrfach erwähnten Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts
ergibt sich nun folgendes:
29
Rechtsprechung
und Schrifttum gehen offenbar von der nach Auffassung des Senats durchaus
zutreffenden Annahme aus, daß unrichtige Angaben für sich allein im allgemeinen
noch nicht genügen, den Widerruf eines Verwaltungsaktes zu rechtfertigen.
Vielmehr muß hinzutreten, daß die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes auf
unrichtigen Angaben beruht (ausdrücklich in diesem Sinne z.B. Forsthoff a.a.O.
S. 199 mit weiteren Nachweisen). Erheblich sind unrichtige oder
unvollständige Angaben des Antragstellers regelmäßig nur unter dem
Gesichtspunkt ihrer Wirkung, d.h. insoweit, als sie eine Rechtswidrigkeit des
begehrten Verwaltungsaktes herbeigeführt haben. Teilweise wird dabei allerdings
besonders hervorgehoben, daß die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes in
weiterem Sinne sowohl auf einer Verkennung des Gesetzes als auch auf irriger
Beurteilung der für den betreffenden Verwaltungsakt maßgeblichen tatsächlichen
Verhältnisse beruhen kann (vgl. z.B. Jellinek "Verwaltungsrecht", 3.
Aufl. S. 283, 284, Forsthoff a.a.O. S. 215). Rechtswidrigkeit eines
Verwaltungsaktes, d.h. ein Verstoß gegen eine gebietende Rechtsnorm liegt nicht
vor, wenn sich lediglich die Rechtsanschauung gewandelt hat oder sich die
Behörde später eine abweichende Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift zu
eigen macht oder einen Sachverhalt später abweichend würdigt. Für den Fall, daß
ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, d.h. gegen eine gebietende Rechtsnorm
verstößt, wird überwiegend der Widerruf - sei es im Einzelfall mit rückwirkender
Kraft, sei es nur mit Wirkung für die Zukunft, dem Grundsatz nach in aller
Regel auch ohne Verschulden des Betroffenen - für zulässig erachtet.
Vgl. z.B. BGH in Entscheidungen vom 26. Februar 1951 und
11. April 1957 (KJW 1951, 359 bzw. NJW 1957, 987), Bayer. VGH
vom 8. November 1951 (VerwRspr. 4, 144), OVG Berlin vom 26. November
1952 (DVBl. 1954, 129), OVG Lüneburg vom 8. Dezember 1953
(MDR 1954, 397), Bezirksverwaltungsgericht Berlin-Zehlendorf vom
9. Februar 1951 (ÖV 1951/303), Peters "Lehrbuch der Verwaltung"
1949 S. 169, v. Turegg "Lehrbuch des Verwaltungsrechts", 3.
Aufl. S. 130, Jellinek a.a.O. S. 283, 284, Forsthoff a.a.O.
S. 198 f., Schunck-De Clerck "Gesetz über das
Bundesverwaltungsgericht", Anm. 2 b gg zu § 15, Eyermann-Fröhler
"Verwaltungsgerichtsgesetz", 2. Aufl., Anhang IV 2 b zu
§ 35, Klinger "Die Verordnung über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in
der britischen Zone", 3. Aufl. S. 140 ff., Haueisen in KJW 1954,
1425 ff., (1427), Zschacke a.a.O. S. 147, Dickmann a.a.O. S. 282
f., Schaefer a.a.O. S. 341 f.,. Fauser a.a.O. S. 271, Sommer in
DÖV 1954, 716, jeweils meist noch mit weiteren Nachweisen.
30
Diese
Auffassung kommt auch in gesetzlichen Regelungen zum Ausdruck, z.B. in
§ 143 Abs. 1 Nr. 2 der Landesverwaltungsordnung für Thüringen
vom 10. Juni 1926, § 42 Abs. 1 Buchst. a des Preuß.
Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juni 1931, Art. 88 Abs. 1
Nr. 1 des Entwurfs einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg. Darüber
hinaus werden im Gegensatz zur Lehre unrichtige oder unvollständige Angaben des
Antragstellers als Ursache der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und daher
als Widerrufsgrund vielfach besonders hervorgehoben:
So z.B. schon in § 53 Abs. 1 der Gewerbeordnung, ferner in
§ 143 Abs. 1 Nr. 5 der Landesverwaltungsordnung für Thüringen,
§ 42 Abs. 1 Buchst. b des Preuß.
Polizeiverwaltungsgesetzes, § 12 des Gaststättengesetzes vom
28. April 1930, § 96 Abs. 1 Nr. 2 der Reichsabgabenordnung,
schließlich jüngst in § 7 Abs. 1 des Bundesentschädigungsgesetzes in der
Fassung vom 29. Juni 1956 - BGBl. I S. 562 -.
31
Dies folgt aus der Erkenntnis, daß sich unbeschadet des dem Betroffenen zu
gewährenden Vertrauensschutzes die Wahrung von Gesetz und Recht notfalls auch
zuungunsten des einzelnen im Vorwaltungshandeln auswirken muß.
32
Eine andere Frage ist, ob ein rechtswidriger Verwaltungsakt mit
rückwirkender Kraft oder nur mit Wirkung für die Zukunft wieder beseitigt
werden kann. Nach der Auffassung des Senats ist dies nicht für alle Fälle der
Widerruflichkeit von Verwaltungsakten in gleicher Weise zu entscheiden. Bei
verständiger Würdigung kann vielmehr nur nach Lage des Einzelfalles, unter
billiger Berücksichtigung der Interessen des Betroffenen, im übrigen
insbesondere nach dem rechtlichen Inhalt des fehlerhaften Verwaltungsaktes, dem
Grund der Widerruflichkeit und dem mit dem beabsichtigten Widerruf verfolgten
Zweck entschieden werden (ebenso der Württ.-Bad. VGH in einer Entscheidung vom
10. November 1950 [VerwRspr. 3, 304], Haueisen in NJW 1954, 1428
und wohl auch Rauball in ZLA 1955, 228, 230). Kann der Zweck des
Widerrufs sinnvollerweise nur mit einer Wirkung ex tunc erreicht werden, wird
die Behörde grundsätzlich auch in der Lage sein müssen, den rechtswidrigen
Verwaltungsakt mit rückwirkender Kraft zu beseitigen (so Württ.-Bad, VGH a.a.O.
S. 306). Zieht man die vorstehend entwickelten Grundsätze in Betracht, so
liegt ein solcher Fall hier vor. Der Bescheid vom 13. Januar 1954 enthält
im Einblick auf die §§ 235, 236 in Verbindung mit § 232 Abs. 1
Nr. 3 LAG neben der Schadensfeststellung als eigentlichen Kern die
Zuerkennung der Hausratentschädigung, mithin eine Rechtsfolge, die einen in der
Vergangenheit abgeschlossenen Tatbestand darstellt - zumal die Auszahlung der
gewährten Entschädigung bereits erfolgt ist -. Der Widerruf ex nunc würde für
die Vergangenheit alles beim alten belassen und nur einen zweifelhaften Wert
haben; er würde praktisch einem völligen Verzicht auf Beseitigung des
rechtswidrigen Verwaltungsaktes gleichkommen.
33
Die überwiegende Meinung geht nun dahin, daß mit Rücksicht auf den
Vertrauensschutz des Betroffenen der Widerruf eines Verwaltungsaktes
grundsätzlich - ausgenommen Fälle der Erschleichung oder der Erwirkung des
Verwaltungsaktes mit unlauteren Mitteln - nur mit Wirkung für die Zukunft
zulässig ist (vgl. z.B. Peters a.a.O. S. 170, Forsthoff a.a.O.
S. 216, Jellinek a.a.O. S. 287, Nebinger
"Verwaltungsrecht", Allgemeiner Teil, 2. Aufl. S. 219,
Eyermann-Fröhler a.a.O., Anhang IV zu § 35, im Ergebnis offenbar auch
Dickmann a.a.O. S. 283; anderer Ansicht dagegen z.B. Fleiner
"Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts", 5. Aufl. S. 196
und Art. 91 des Entwurfs einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg).
Ihr wird zuzustimmen sein, wenn ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung
nachträglich wieder beseitigt werden soll. Der vorerwähnten Auffassung liegt
offenbar ein solcher Sachverhalt zugrunde, was im Bereich des
Lastenausgleichsrechts insbesondere auf die Kriegsschadenrente, die
grundsätzlich für eine längere Dauer gewährt wird, zutrifft. Für Fälle der
vorliegenden Art wird dagegen der Widerruf ex nunc, wie dargetan, nicht
ausreichend sein. Das in solchen Fällen unter dem Gesichtspunkt des
Vertrauensschutzes des Betroffenen pflichtgemäße Abwägen gegenüber dem öffentlichen
Interesse, kann hier vielmehr regelmäßig nur dazu führen, daß die nachträgliche
Beseitigung des fehlerhaften Verwaltungsaktes entweder ex tunc oder aber
überhaupt nicht zulässig ist.
34
Insoweit vertritt der Senat indessen den Standpunkt, daß jedenfalls dann,
wenn die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes auf unrichtige oder
unvollständige Angaben des Antragstellers zurückzuführen ist, der
Vertrauensschutz des Betroffenen grundsätzlich schon dann nicht überwiegt, wenn
der Antragsteller die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit seiner Angaben
verschuldet hat. Auf das Ausmaß des Verschuldens kommt es dabei nicht an. Ob
der Vertrauensschutz des Betroffenen überwiegt, hängt letzten Endes immer davon
ab, ob das Interesse des einzelnen an der Aufrechterhaltung des ihn
begünstigenden Verwaltungsaktes unter Berücksichtigung aller Umstände
schutzwürdiger ist als die Notwendigkeit, der Rechtsordnung Geltung zu
verschaffen und demgemäß den fehlerhaften Verwaltungsakt wieder zu beseitigen.
Dabei ist nicht zu verkennen, daß der Behörde der gesamte Organisationsapparat
zur Verfügung steht, um das Zustandekommen eines fehlerhaften Verwaltungsaktes
von vornherein zu verhindern und daß sie insoweit ein erhebliches Übergewicht
gegenüber dem Antragsteller hat; das gilt insbesondere für
Lastenausgleichssachen. Ist aber die Behörde auf die tatsächlichen Angaben des
Antragstellers im Einzelfalle allein angewiesen, so fallen - anders als bei
Beurteilung der Rechtslage und anders als bei der Pflicht der Behörde, die
Ermittlungen von Amts wegen vorzunehmen - Mängel der Angaben ganz überwiegend
in den Verantwortungsbereich des Antragstellers. Dabei kann davon ausgegangen
werden, daß die Behörde zunächst einmal auf die Richtigkeit der Angaben
vertrauen wird, bzw. zu vertrauen berechtigt ist. Gerade die Ausgleichsbehörde
wird, will sie den ihr obliegenden Aufgaben in angemessener Frist nachkommen,
weitgehend darauf angewiesen sein, den Inhalt der Antragsformulare als richtig
zu unterstellen. Bei verständiger Abwägung der beiderseitigen Belange kann das
Vertrauen des Antragstellers in den Bestand des ihn begünstigenden
Verwaltungsaktes dann nicht mehr als sohutzwürdig erachtet werden, wenn er
seiner Mitwirkungspflicht bei der tatsächlichen Feststellung nicht
ordnungsgemäß nachgekommen ist und ihn hierbei ein Verschulden trifft. Fühlt
sich der Antragsteller in bezug auf die von ihm verlangten Angaben nicht mehr
hinreichend sicher, so wird er dies zum Ausdruck bringen müssen. Dann ist der
Behörde Anlaß und Gelegenheit gegeben, im Rahmen des Möglichen von Amts wegen
weitere Ermittlungen anzustellen und auf diese Art und Weise unrichtige
Entscheidungen zu vermeiden.
35
Anders ist die Rechtslage, wenn die Behörde ohne Verschulden des
Antragstellers von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Dann kann es
- selbst wenn die Unrichtigkeit auf (schuldlos) falschen oder unvollständigen
Angaben des Antragstellers beruht - zweifelhaft sein, ob nicht angesichts des
mit besonderen Sicherungen versehenen Ausgleichsverfahrens (z.B.: Entscheidung
schon in der unteren Instanz durch eine Kollegialbehörde, § 335
Abs. 1 LAG, in allen Instanzen Mitwirkung eines besonderen Vertreters
der Interessen des Ausgleichsfonds, § 322 LAG, Erlaß von
Vorbehaltsbescheiden, von Teilbescheiden) die Schutzwürdigkeit des
Antragstellers überwiegt und demgemäß der Widerruf grundsätzlich ausgeschlossen
ist. Bei vom Antragsteller nicht verschuldeter Unrichtigkeit des der
Entscheidung zugrunde gelegten. Sachverhalts ist der Widerruf jedenfalls dann
auszuschließen, wenn der Behörde infolge eigenen groben Verschuldens die
Unrichtigkeit des Sachverhalts unbekannt geblieben ist. Auch bei Anerkennung
des Grundsatzes, daß der Antragsteller an der Beibringung der tatsächlichen
Grundlagen in erster Linie mitzuwirken hat, geht es zu Lasten der Behörde, wenn
sie in Ausübung ihrer Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu klären,
fehlerhaft handelt. Zumindest in einem solchen Falle wird eine gewissenhafte
Abwägung der Interessen des Betroffenen und der öffentlichen Belange regelmäßig
dazu führen, die überwiegende Schutzwürdigkeit des Staatsbürgers anzuerkennen.
So aber würde in dem hier zu entscheidenden Falle, die Lage zu beurteilen sein,
wenn die Behörde angesichts des ihr bekannten Widerspruchs in den Angaben des
Klägers die doch naheliegende, kurze Überprüfung auch der Soforthilfeakten, die
jederzeit erreichbar waren, nicht vorgenommen hätte. Diese Unterlagen würden
die gegen eine Vorauszahlung von nur 700 RM sprechenden Anhaltspunkte ohne
weiteres ersichtlich gemacht haben.
36
Zusammenfassend ist nach alledem zu sagen: Beruht die etwaige
Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13. Januar 1954 auf schuldhaft
falschen oder unvollständigen Angaben des Klägers, so ist der erfolgte Widerruf
des Bescheides nicht zu beanstanden; Anlaß zu einem Vertrauensschutz in der
Form, daß bereits der Widerruf ausgeschlossen wäre, besteht insoweit nicht.
Trifft den Kläger an dem Zustandekommen des fehlerhaften Bescheides hingegen
kein Verschulden, so ist im Einblick auf das Eigenverschulden der Behörde der
ausgesprochene Widerruf nicht gerechtfertigt. Diese Auffassung kommt, zumindest
im Ergebnis, im wesentlichen auch in dem "Rundschreiben des
Bundesausgleichsamts betr. Aufhebung und Änderung von Bescheiden" vom
12. September 1956 (MtBl. BAA 1956, 491 ff.) zum Ausdruck.
Insbesondere wird dort unter Nr. 3 Abs. 1 Satz 3 ausgeführt, daß
ein Eigenverschulden der Behörde bei Feststellung der für die Entscheidung
bedeutsamen Tatsachen den Widerruf ausschließen kann.
37
Da zu der Frage, ob der Kläger die etwaige Unrichtigkeit seiner Angaben
verschuldet hat, bisher keine hinreichenden Feststellungen getroffen worden
sind - das Landesverwaltungsgericht hat lediglich festgestellt, der Kläger sei
"bei Erhalt der Entschädigung" nicht gutgläubig gewesen -, ist auch
insofern Zurückverweisung zwecks weiterer Aufklärung geboten.
38
3.
Als Ergebnis der weiteren Aufklärung kann allerdings nicht von vornherein
ausgeschlossen werden, daß ein Verschulden des Klägers an der etwaigen
Unrichtigkeit seiner Angaben nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen
ist. In diesem Falle wäre der Widerruf des Bescheides vom 13. Januar 1954
nicht gerechtfertigt. Denn es bedarf nach den bisherigen Ausführungen keines
weiteren Hinweises, daß ein begünstigender Verwaltungsakt nur dann wieder beseitigt
werden kann, wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen eindeutig gegeben
sind; nachträgliche bloße Zweifel an der Berechtigung eines einmal erlassenen
begünstigenden Verwaltungsaktes genügen insoweit nicht.
39
Entsprechendes hätte im übrigen auch zu gelten, wenn sich im Rahmen der
weiteren Aufklärung nicht mit hinreichender Sicherheit bestätigen sollte, daß
der Kläger bereits Vorauszahlungen in Höhe von mehr als 50 % des nach den
maßgeblichen Bestimmungen anzuerkennden. Schadensbetrages erhalten hat.
40
4.
Für den Fall, daß sich nach erneuter Feststellung der Widerruf des
Bescheides vom 13. Januar 1954 als gerechtfertigt erweist, hätte der
Kläger, wie vom Ausgleichsamt bereits angeordnet, die zu Unrecht erhaltene
Hausratentschädigung zurückzuzahlen.
41
Ob eine
Erstattungspflicht unmittelbar aus den Vorschriften des Lastenausgleichsgesetzes herzuleiten ist, erscheint
zwar zweifelhaft; § 290 LAG und demgemäß § 3.50 a LAG
begründen einen allgemeinen Rückforderungsanspruch des Ausgleichsfonds
jedenfalls nicht (vgl. z.B. dasUrteil des erkennenden Senats vom 2. November 1956 -
BVerwG IV C 117.55 -). Es kann aber als feststehender Grundsatz
des - nach der ausdrücklichen Bestimmung, des § 350 a LAG auch insoweit im
Rahmen des Lastenausgleichsrechts zu beachtenden - allgemeinen
Verwaltungsrechts angesehen werden, daß Leistungen, die zu Unrecht bewirkt
worden sind, erstattet werden müssen. Es handelt sich hier um einen aus
allgemeinen Rechtsgedanken, aber auch aus einer entsprechenden Anwendung
der §§ 812 ff. BGB abzuleitenden
Erstattungsanspruch des öffentlichen Rechts, der, soweit ersichtlich, heute
allgemeine Anerkennung gefunden hat:
Vgl. hierzu grundlegend Lassar "Der Erstattungsanspruch im
Verwaltungs- und Finanzrecht" 1921; ferner namentlich Forsthoff, a.a.O.
S. 148, Haueisen in NJW 1954, 977 ff., Bachof "Die verwaltungsgerichtliche
Klage auf Vornahme einer Amtshandlung" 1951 S. 101 f., Jellinek,
a.a.O. S. 238 f. S. 238 f., Huber
"Wirtschaftsverwaltungsrecht" 1954 Bd. 2 S. 596 f. und
621 f., Tiedau in MDR 1952, 330 ff. (mit zahlreichen
weiteren Nachweisen), Württ.-Bad. VGH vom 20. November 1952 in
ESVGH 2, 89 ff. (93), Hamb. OVG vom 5. März 1951 in
VerwRspr. Bd. 4 Nr. 4, OVG Lüneburg vom 22. Oktober 1952 in
NJW 1953, 839, Bundessozialgericht vom 10. November 1955 in
"Nachrichtendienst des deutschen Vereins für öffentliche und private
Fürsorge" 1956 S. 202 f.; schließlich auch schon Art. 210 des
Entwurfs einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg (1928).
42
Daß dieser Erstattungsanspruch auch im Rahmen des Lastenausgleichsrechts
volle Bedeutung hat, ist mit Recht kürzlich insbesondere von Presting
(DÖV 1956, 110 ff.) hervorgehoben worden.
43
Der mithin dem Kläger obliegenden Erstattungspflicht kann dieser nicht etwa
mit dem Einwand begegnen, er sei nicht mehr bereichert. Selbst dann, wenn das
ursprünglich Erlangte nicht mehr vorhanden ist, besteht eine Bereicherung immer
noch insoweit, als durch die Verwendung des Erlangten Ausgaben erspart worden
sind, die sonst zur Bestreitung von Lebensbedürfnissen notwendig gewesen wären.
Anders verhält es sich nur in dem Falle, daß der Betroffene durch die zu
Unrecht empfangene Leistung zu Aufwendungen, die außerhalb seiner regelmäßigen
Lebensgewohnheiten liegen (sogen. Luxusausgaben), veranlaßt wurde (vgl. z.B.
Palandt, BGB, 15. Aufl., Anm. 6 A zu § 818 und Enneccerus-Lehmann "Schuldrecht",
14. Bearb. 1954, § 227 III 5). Ein solcher Fall ist vorliegend aber
weder dargetan noch sonst ersichtlich. Unter diesen Umständen bedarf es hier
auch keiner Erörterung, ob innerhalb des öffentlichen Rechts, zumindest im
Rahmen des Lastenausgleichs, der Einwand der entfallenen Bereicherung überhaupt
zulässig ist.
44
Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und zwecks weiterer
Aufklärung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
45
Die Nebenentscheidung folgt aus § 334 LAG in Verbindung mit
§ 74 BVerwGG.
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