Donnerstag, 30. Januar 2020

Der preussische Tellerrand

https://www.sueddeutsche.de/politik/hohenzollern-entschaedigungen-drittes-reich-1.4777068

Der Beitrag ist  leicht verständlich: Es grenze an Frechheit wenn der Ur- Ur Enkel des letzten deutschen Kaisers Forderungen auf Rückgabe von Kunst und Entschädigung für Bodenreformland gegen die Bundesrepublik oder Länder erhebe. Es greife 1 Absatz 4 des EALG, weil dem Nationalsozialismus erheblich Vorschub geleistet wurde.

Für Juristen, und Herr Prantl ist ein Jurist, ist diese Aussage nichts Besonderes. Sie spiegelt die Rechtslage wider. Der Staat ist an Recht und Gesetz gebunden. Demzufolge muss über den  Antrag  ein Gericht entscheiden.

Das Gesetz gestattet keine Einigung im Vergleichswege. Über Ausschliessungsgründe darf nicht verhandelt werden. Entweder sie liegen vor oder nicht. Ich bezweifle sogar, dass über die Frage ob  sich ein Gegenstand im Privat- oder Sondereigentum befand, verhandelt werden kann und darf.

Vor diesem Hintergrund wundert mich aber etwas anderes:

Die Flut an Meldungen über den "Fall HZ" suggeriert, dass es zwischen 1933 und 1945 nur eine hochadelige Familie gab, die es verdient, in die öffentliche Diskussion zu treten. Diese Familie scheinen die Hohenzollern zu sein. Man/Frau  mag denken: selbst verschuldet, denn diese Familie  erhebt Forderungen.

Dass es auch andere Familien gab, nicht viele, aber immerhin andere, scheint niemanden zu interessieren. Und die Sach- und Rechtslage ist sehr ähnlich. Auch sie haben ähnliche Forderungen erhoben.

Ein wenig Differenzierung wäre wünschenswert, ich meine damit keineswegs Herrn Prof. Dr. Prantls plakative Aussagen, das ist eine legitime Art des Journalismus. Aber es darf nicht vergessen werden, dass es innerhalb der Familien nicht selten NS Gegner und NS Befürworter gab.

Und es gibt mehrere Auschliessungsgründe. Nicht nur Vorschub leisten, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, es  gab unlautere Machenschaften zum eigenen Vorteil, Missbrauch einer Stellung usw. Das alles steht im Gesetz. Es gab Fälle bei denen sämtliche in Frage kommenden Tatbestandsmerkmale gegeben waren. Doch es wurde in manchen Fällen die mir bekannt sind, nicht wirklich recherchiert. Das ist das Skandalöse.

Ich habe auf diese Zusammenhänge mehrfach hngewiesen, aber das Interesse in der Presse scheint  nur der Familie des ehemaligen Kaisers zu gelten, und es konzentriert sich nur auf den Teilaspekt "Vorschub leisten". Ich frage mich: wieso ?

Sehr verkürzt.

Und es gibt noch einen Aspekt: Beihilfe zum Angriffskrieg in der Hoffnung auf Beute.

Ich kann verstehen dass der Fokus in einem 3 Minuten statement im Videoformat sehr präzise sein muss, eventuell habe ich hier zu viele Punkte angeschnitten. Sie liegen jenseits des preussischen Tellerrandes...

Mich würde freuen, wenn über den preussischen Tellerrand hinaus geblickt wird, wie 2007 geschehen.

Herr Ralf Husemann schrieb  in der Süddeutschen Zeitung vom 5. März 2007 (Rubrik Politische Bücher:

Geschäft auf Gegenseitigkeit

Schaumburg-Lippe und die Nazis

Dies ist kein Buch, sondern ein Steinbruch. Wer sich aber durch das Geröll der endlos langen Dokumente, Briefe, Listen und Fragen des Autors („War ich nun auf der richtigen Spur?”) durchgearbeitet hat, der kann sogar einigen Erkenntniswert gewinnen. Alexander vom Hofe, ein Großneffe von Adolf von Schaumburg-Lippe, des letzten fürstlichen Herrschers dieses noch bis 1946 bestehenden norddeutschen Mini-Staates, hat sich seine Familie vorgenommen – und die hat es wahrlich in sich. Der Großonkel kam 1936 unter bis heute ungeklärten Umständen mit seiner Frau in Mexiko bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Drei Brüder des Fürsten arrangierten sich mit den Nazis (Friedrich Christian brachte es gar zum Adjutanten von Goebbels). Doch der vierte (Heinrich), der Großvater des Autors, hatte nicht nur mit den Nazis nichts am Hut, er gehörte auch noch einer (alsbald verbotenen) Freimaurer-Loge an.

Im Zentrum dieses Buches steht Prinz Wolrad, der nach dem mysteriösen Tod seines Bruders alles tat, um als neues „Oberhaupt” der Fürstenfamilie dessen Gesamtbesitz an sich zu reißen. Der Autor versucht nun nachzuweisen, dass die anderen Brüder (und damit auch sein Großvater Heinrich) um ihr Erbe betrogen wurden. Dem Rechtsanwalt Alexander von Hofe geht es aber um Grundsätzlicheres. Er sieht die Kumpanei der Familie mit den Nazis als Geschäft auf Gegenseitigkeit. Das Haus Schaumburg-Lippe behielt im Wesentlichen seine riesigen Besitztümer, auf denen dafür zum Teil kriegswichtige Produktionsstätten und Zwangsarbeiterlager eingerichtet wurden. 37 in einem Steinbruch ermordete Zwangsarbeiter sind namentlich bekannt, die tatsächliche Anzahl der Getöteten liegt vermutlich noch weit darüber. Eher niedere Chargen mussten sich später dafür rechtfertigen, gegen den blaublütigen Besitzer wurde aber nichts unternommen. Ein interessanter Nebenaspekt ist die Frage, ob der Verkauf des Bonner Palais Schaumburg, des späteren Dienstsitzes des Bundeskanzlers an die Wehrmacht rechtlich einwandfrei war. Ein anderes Thema sind die staatlichen Archive, die den Autor bei seinen Recherchen immer wieder abzuwimmeln versuchten. Das Thema ist offensichtlich noch brisant. (Zitatende)






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