Weitere Hintergrundinformation
S. 86
7. Dresdner Bank
und Valentin Henckel Donnersmarck
Nach langen
Monaten der Recherche erfuhr ich einen Grund, aus dem die Gestapa gegen Adolf
ermittelt hatte. Es war sicherlich nicht der wahre Grund. Es ging nicht um
Ermittlungen, sondern um die Vorbereitung einer Liquidierung. Zwischen 1934 und
1936 ermittelte nicht nur das Gestapa gegen Adolf, sondern auch das
Landesfinanzamt in Hannover wegen Devisenvergehen und die Zollfahndungsstelle
wegen Verstoßes gegen das „Volksverratsgesetz“ (wegen der angeblichen
Nichtanzeige von im Ausland befindlichem Vermögen). Im Jahre 1936, Adolf war
schon tot, liefen diverse Verfahren gegen den Testamentsvollstrecker Valentin
Graf Henckel von Donnersmarck wegen Beihilfe zu Delikten des Fürsten Adolf.
1936 wurden von der Dresdner Bank Kunstobjekte gepfändet, die dann nach Berlin
kamen. Darunter VriesSkulpturen (siehe S. 148 VPpU), die heute im Bode-Museum
zu sehen sind. Der Rechtsanwalt von Valentin Graf Henckel von Donnersmarck, Dr.
Walter Schulz, Georgstrasse 20, Haus Continental, schrieb an das Landgericht
Hannover am 8. März 1937: Mein Mandant [Valentin Henckel Donnersmarck] ist
Mitte November 1936 wegen angeblicher Steuerhinterziehung verhaftet worden. Es
handelt sich nicht, um die dritte, sondern um die zweite Verhaftung. Mein
Mandant ist der Überzeugung, daß die verschiedenen Strafverfahren, nämlich
wegen angeblichen Devisenvergehens, wegen Steuerhinterziehung und wegen
Untreue, gegen ihn durch Mitglieder des Fürstlichen Huses oder in deren
Auftrage verlanlasst worden sind, um die mit ihm geschlossenen Verträge zur
Auflösung bringen zu können. Der Haftbefehl wegen angeblicher Beteiligung an
einem Devisenvergehen des Fürsten Adolf war unhaltbar und wurde vom Landgericht
Bückeburg aufgehoben. Aus diesem Verfahren heraus hat dann die
Zollfahndungsstelle in Hannover in Verbindung mit dem Finanzamt weiter ein
Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet und zwar hat der
bearbeitende Referent in
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Bückeburg
erklärt, dieses Verfahren sei eingeleitet worden, weil man bei der Durchsuchung
der Briefschaften und Geschäftspapiere des Klägers Spendenscheine festgestellt
hätte. Daraus habe man geschlossen, daß demnach die Steuererklärungen nicht in
Ordnung sein könnten. Mit dieser und mit keiner anderen Begründung wurde das
Verfahren gegen Valentin Henckel von Donnersmarck fortgeführt. Seine Verhaftung
erfolgte dann wegen angeblicher Verdunkelungsgefahr. Er ist dann von Wolrad
Prinz zu Schaumburg-Lippe fristlos mit der Begründung entlassen worden, daß die
wiederholten Verhaftungen wegen Volksverrat pp. ihn zu dieser Massnahmen
zwingen [...]. Fürst Adolf war Mitglied des Aufsichtsrates der Dresdner Bank.
Valentin Graf Henckel von Donnersmarck war auf Empfehlung von Herrn Henry
Nathan von Adolf Fürst zu Schaumburg-Lippe 1921 eingestellt worden. Henry
Nathan war Gründer der Dresdner Bank AG gewesen. Die Dresdner Bank wurde 1872
aus dem jüdischen Privatbankhaus Michael Kaske in eine Aktiengesellschaft
umgewandelt. Sie galt schon im Kaiserreich als eine „jüdisch“ geprägte Bank, da
nicht nur ihr Gründer und sein Nachfolger Henry Nathan, sondern auch ein großer
Teil des Aufsichtsrates jüdischer Herkunft war. Eugen Gutmann schied Ende des
Jahres aus dem Vorstand aus und wurde 1921 Ehrenvorsitzender des
Aufsichtsrates. Henry Nathan trat an seine Stelle als primus inter pares. In
einem Schriftsatz des Anwaltes von Valentin Graf Henckel von Donnersmarck im
Jahr 1937 kann nachgelesen werden: Es ist leicht verständlich, daß der Fürst
der Empfehlung der Dresdner Bank folgte und den Kläger (Valentin Henckel von
Donnersmarck) als Generalbevollmächtigten einstellte. Daß er mit dem Direktor
Nathan der Dresdner Bank bekannt war, wird nicht bestritten. Es gehört aber in
das Gebiet der Fantasie, wenn die Hofkammer [Wolrad, d. Verf.] jetzt behauptet,
eine Anstellung sei unter Ausübung eines Drucks der Dresdner Bank erfolgt. Auch
Graf Henckel von Donnersmarck war bis zum Jahr 1931 Mitglied des Aufsichtsrates der Dresdner Bank gewesen. Adolf Fürst zu Schaumburg-Lippe erstattete ihm
jährlich die entgangenen Tantiemen für den aufgegebenen Posten.
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Es ist von
enormer Bedeutung für das Verständnis dieser Vorgänge, dass Valentin Graf
Henckel von Donnersmarck eben nicht Mitglied der „Hofkammer“ war, sondern
persönlicher Generalbevollmachtigter Adolfs. Er konnte die „Hofkammer“
anweisen. Valentin hob diesen Aspekt mit der Bemerkung heraus, dass er nicht
ein verbeamteter Träger von goldenen Knöpfen sei, der sich auf die Ableistung
von Unterschriften beschränkte, sondern weit darüber stand. Er war, wenn man
einen modernen Begriff verwenden darf, „President“ und nicht „back-office“
(„Hofkammer“). Er war CEO und eben nicht Finanzchef. Diese Erkenntnis ist
deshalb so wichtig, weil sie die simultanen Verfahren gegen Adolf und Valentin
als Verfahren gegen den „Kopf“ enttarnen. Deshalb wurde Valentin Beihilfe zu Delikten
Adolfs vorgeworfen. Somit haben die Nazis das „Oberhaupt“ mit einem gezielten
Schlag „enthauptet“ und Wolrad sofort als {neues?} neues „Oberhaupt“ eingesetzt. Wäre Valentin nur „back office“ gewesen, wäre er nicht in U-Haft
gekommen. Zu Weihnachten 2010 schenkte ich mir selbst die Jahrgänge 1930 bis
1934 des Adelsblattes. Ein Beitrag in Heft 25 des Jahrgangs 1934 auf S. 25
beschäftigte sich mit der Frage, ob die Familie Henckel von Donnersmarck
„jüdischen Ursprungs“ sei. Richtigstellung – Die Henckel von Donnersmarcks Das
Gerede, daß die Familie der Grafen Henckel von Donnersmarck und der aus ihr
hervorgegangenen Fürsten von Donnersmarck jüdischen Ursprungs sei, wie es
leider auch gerade in Adelskreisen noch immer häufig genung zu hören ist und
wie es namentlich der Semigotha durch längere Artikel zu beweisen versucht, git
bei Wissenschaftlern, unter denen es eigentlich nie Fuß gefasst hatte, längst
als widerlegt. Ich schrieb den Leiter des Historischen Archivs der Dresdner
Bank an und bat um Akteneinsicht. Das Historische Archiv der Dresdner Bank
teilte mir erst schriftlich mit, dass Miterben Adolfs selbstverständlich die
Bestände zu dieser vermeintlich vermögenslosen Persönlichkeit einsehen dürfen.
Plötzlich kam die Drehung. Nun wurde mitgeteilt, dass dies wegen
„Bankgeheimnisses“ nicht möglich sei. Offensichtlich soll kein Licht in diese
dunkle Geschichte eindringen.
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Ich bin gespannt,
ob über kurz oder lang Licht eindringen wird. Ich habe die Türe einen Spalt
weit aufgebrochen. Lokalhistoriker und das Staatsarchiv Bückeburg bezeichneten
meine Recherchen als närrischen Randbereich und bezichtigten mich eines
verschwörungstheoretischen Ansatzes. Herr Frank Werner von der Landeszeitung
publizierte ein Buch über Schaumburger Nationalsozialisten. Obwohl ihm die
„Memoiren Karl Dreiers“ vorlagen, referierte er nicht über Aussagen, die Wolrad
belasten könnten. Diese „Memoiren“ mit einem großen Titelbild von Adolf Hitler
wurden vom Staatsarchiv Bückeburg angekauft, auf Vermittlung von Herrn Frank
Werner. Frau Dr. Lu Seegers hat in ihrem Beitrag zum Steinbruch in Steinbergen
absolut nichts zur Familie Schaumburg-Lippe referiert. Mich wundert es nicht,
weil es immer Menschen geben wird, die sich auf die Seite der „Starken“
stellen. Es ist alles eine Frage der Machtverhältnisse. Wie spielt eine Bank
ihre Macht aus? Mit Leichtigkeit. Die Commerzbank AG versagte Information. Dass
ich Erbeserbe eines ehemaligen Mitgliedes des Aufsichtsrates war und es mir um
dessen persönlichen Belange ging, war der Bank gleichgültig. Dabei hatte es zu
Beginn erfreulich ausgesehen. Am 17. Dezember 2009 erklärte das Historische Archiv
der Dresdner Bank (Commerzbank): Unterlagen zu der von mir ge nannten Thematik
(Adolf Fürst zu Schaumburg-Lippe Aufsichtsratsmitglied, Konten, Kunstpfändungen
usw.) lägen in Frankfurt im Archiv vor. Gern könne ich diese Unterlagen im
Archiv einsehen. Ich müsste nur die Berechtigung zur Einsichtnahme nachweisen,
eine Kopie des Erbscheins nach Adolf Fürst zu SchaumburgLippe, sowie meinem
amtlichen Lichtbildausweis vorlegen. Dieser Bitte kam ich nach. Am 22. Dezember
2009 antwortete das Historische Archiv sinngemäß: Frühestens Ende Februar 2010
könnte eine Akteneinsicht stattfinden. Begründung: Umbauten und Verschmelzung
der Dresdner Bank mit Commerzbank.
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Am 8. Januar 2010
teilte das Historische Archiv der Dresdner Bank mit: Die Unterlagen werden
unter der Bedingung ausgehändigt, so die Rechtsabteilung, dass sämtliche
Miterben von Adolf Fürst zu Schaumburg-Lippe ebenfalls Kopien der Unterlagen
bekämen. Ich sollte nur die Anschriften der Miterben benennen. Das tat ich am
11. Januar 2010. Am 26. März 2010 (Adolfs Todestag) fragte ich erneut nach und
erhielt die Auskunft, dass der Vorgang sich noch immer in der Rechtsabteilung
befände. Zum wiederholten Male wies ich darauf hin, dass ich die Unterlagen
dringend benötige, um sie dem Verwaltungsgericht Greifswald vorzulegen.
Telefonisch erfuhr ich dann, dass die Rechtsabteilung das Bankgeheimnis ins
Feld ziehen würde. Sie erklärte, es ginge bei den Unterlagen um einen ganz
„anderen Stamm“. Dreimal durfte ich raten, wer den Alleinanspruch geltend
gemacht hat. Telefonisch schob das Historische Archiv nach, ich dürfe auch
deshalb keine Unterlagen sehen, weil sich aus den Unterlagen ergäbe, dass ein
damaliger Bankdirektor unterschlagen habe (...) Ich frage mich, wie etwas von
einer vermögenslosen Person unterschlagen werden konnte. Seltsames Argument, um
Miterben Unterlagen vorzuenthalten. Ich musste anderswo recherchieren. Weitere
Details zu Valentin Graf Henckel von Donnersmarck konnte ich ausfindig
machen. Er und seine Se- kretärin wurden bei der Staatsanwaltschaft angezeigt
(so steht es in Dreiers Memoiren, S. 41, Archivsignatur: NLA – Staatsarchiv
Bückeburg E 77 Nr. 3). Von 1936 bis 1938 wurden gegen sie Verfahren wegen
Vergehens gegen das so genannte Volksverratsgesetz geführt (Horst R. Sassin,
Liberale im Widerstand, die Robinsohn Strassmann Gruppe). Dass die
Angelegenheit absurd sein musste, ergibt sich bereits aus dem Ge - setzestext.
Gemäß § 4 Absatz 1 Ziffer 2, siehe Reichsgesetzblatt I, S. 360 ff., waren sie
anzeigepflichtig, d.h. sie mussten im Ausland befindliche Vermögensstücke
(Grundstücke, Landwirtschaft, Beteiligungen usw.) mitteilen. Wie soll sich der
Testamentsvollstrecker strafbar gemacht haben, wenn Adolf Fürst zu
Schaumburg-Lippe vermögenslos war? Welche Vermögensstücke im Ausland soll er
nicht angezeigt haben?
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Für Valentin Graf
Henckel von Donnersmarck war das Sondergericht für den Oberlandesgerichtsbezirk
Celle beim Landgericht in Hannover zuständig. Es umfasste die
Landgerichtsbezirke Aurich, Bückeburg, Detmold, Göttingen, Hannover,
Hildesheim, Lüneburg, Osnabrück, Stade und Verden. Wer ermittelte? Die
Staatsanwaltschaft Bückeburg! Die strafrechtliche Aktion führte zum
erwünschten Erfolg. Valentin Graf Henckel von Donnersmarck war in Sachen Adolf
Fürst zu Schaumburg-Lippe handlungsunfähig. Darum ging es. Strafrechtliche
Ermittlungen wegen Volksverrat gegen den Testamentsvollstrecker von Adolf Fürst
zu Schaumburg-Lippe einschließlich U-Haft ab November 1936 sollten seine
Entlassung als Testamentsvollstrecker gemäß § 2227 BGB ermöglichen. § 8 des
Verratsgesetzes sah bei Nichterfüllung der Anzeigepflicht als Strafe Zuchthaus
nicht unter drei Jahren, ebenso Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte vor. Die
Verfahren gegen Valentin Graf Henckel von Donnersmarck beschäftigten sogar
mehrfach den Reichsjustizminister Dr. Gürtner und den Reichs - finanzminister
Graf Schwerin von Krosigk. Im Diensttagebuch des RJM finden sich vier
Eintragungen zum Vorgang (7. Mai 1937, 28. Mai 1937, 27. Dezember 1937 und 18.
März 1938). Hier die Eintragung vom 27. Mai 1937: R 3001/20721 BArch 7. Mai
1937: Reichsfinanzminister (gez. Krosigk, an den Herrn Minister persönlich,
30.4.) überreicht ein Aktenheft seines Ministeriums über das Strafverfahren
gegen den Grafen Henckel von Donnersmarck, Generalbevollmächtigter des Hauses
Schaumburg-Lippe, wegen Steuer- und Devisen-zuwiderhandlungen. Er bittet um
Prüfung der Frage der Haftentlassung. Der Rechtsanwalt des 68-jährigen
Beschuldigten habe darauf hingewiesen, daß Graf H. infolge einer Lähmung an
beiden Beinen ständig gesundheitlich gefährdet sei. Die Ermittlungen würden von
der StA Bückeburg geführt. Graf H, sei seit 16.11.36 in Haft, zunächst im
Gefängnislazarett, jetzt im Städtischen Krankenhaus Hannover. Sein Vetter,
Fürst von Donnersmarck, verwende sich für ihn.
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Ich erhielt auch
eine Ablichtung aus Der Stürmer, Heft 13, 1935, Nr. 26: Im Jahre 1907 hatten
wir ganz hohen Besuch. Der Kolonialsekretär Dr. Bernhard Dernburg (getaufter
Jude!) erschien mit einem Gefolge von etwa 6 oder 7 Herren, darunter Graf
Henckel von Donnersmarck (Jude) und Rathenau (Jude) [...] An dieser Stelle
möchte ich darauf hinweisen, dass Walther Rathenau im Juli 1908 nach
Südwestafrika gereist war. Er vermerkte in seinem Tagebuch, dass Valentin Graf
Henckel von Donnersmarck einer seiner Reisebegleiter war (Wolfgang Brenner,
Walther Rathenau. Deutscher und Jude, S. 201). Der Beschuldigte werde sich nach
Haftentlassung voraussichtlich in Rottach-Egern aufhalten und nur mit seinen
Anwälten in Verbindung treten. Keine Verdunkelungsgefahr. 28.5.1937 OStA.
Hannover (20.5.) [...] Die weitere Beschwerde gegen die Zurückweisung der
Haftbeschwerde ist zurückgewiesen. Auf wiederholte Vorstellungen habe das
Fin.Amt eine Darstellung der bisherigen Ermittlungen gegeben, wonach noch
wichtige Feststellungen ausstünden und der Verdacht des Volksverrats bereits
wesentlich bestärkt sei. Der OFinPräs. habe am 20.4. dringend gebeten, die Haft
aufrechtzuerhalten, da die Ermittlungen von dem Beschuldigten voraussichtlich
durchkreuzt würden, wenn er davon erführe, daß die Finanzbehörden von den
Kapitalabhebungen Kenntnis hätten [...] R 3001/20734 BArch 27.12.1937 OStA.
Hannover (20.12) überreicht die von ihm erhobene Anklage (20.12.) gegen
Valentin Graf Henckel von Donnersmarck (Vergehen und Verbrechen gegen die VO.
v. 1.8.1931 und die VO. v. 23.5.1932 sowie gegen §§ 2 u. 8 des
Volksverratsgesetzes) [...] R 3001/20946 BArch OStA. Hannover (19.2.)
überreicht das Urteil des Sond.Ger. Hannover, durch das Valentin Graf Hen -
ckel von Donnersmarck am 20.1.1938 des Verbrechens gegen das Volksverrats-
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gesetz
freigesprochen worden ist. (Untersuchungshaft seit 9.10.37). In den Gründen
wird ausgeführt, dem Angeklagten sei nicht zu widerlegen, daß sein Sohn, der
1935 nach Schutzhaft nach Holland ausgewandert ist und den er angeblich 1934
zum letzten Mal gesehen hat, die Transaktionen auf Grund einer Gen. Vollmacht
ausgeführt und er selbst davon nichts gewusst habe. In Gestalten rings um
Hindenburg, führende Köpfe der Republik und die Berliner Gesellschaft von
heute, dritte Auflage 1930, anonym, kann auf S. 188 folgendes gelesen werden:
[...] dagegen macht der jüngste der drei Brüder, Herr Erich von
GoldschmidtRothschild, ein großes Haus. Dabei hilft ihm seine reizende junge
Gattin, geborene Gräfin Henckel [...] sie ist die Tochter des Grafen Valentin
Henckel-Donnersmarck und seiner Gattin geborenen Gräfin Kanitz. Graf Henckel,
der früher einmal kurze Zeit Hofmarschall des Kaisers war, steht seit einigen
Jahren als Generalbevollmächtigter an der Spitze der großen Vermögensverwaltung
des Fürsten [Adolf, von mir ergänzt] Schaumburg-Lippe. Valentin Graf Henckel
von Donnersmarck starb am 22. Mai 1940 in Berlin Halensee. Mich wunderte seit
Jahren, dass die Unterschrift des Testamentsvollstreckers Graf Henckel von
Donnersmarck immer als Faksimile zu sehen war, nie im Original. Jetzt weiß ich,
warum: Im Mai 1936 agierte er als Testamentsvollstrecker, doch kurz danach
wurde er in Untersuchungshaft genommen. Vermögensrechtliche Vorgänge mussten
zeitgleich mit einer Rückdatierung der NSDAP-Mitgliedschaft Wolrads rückdatiert
werden; interessant ist übrigens, wie bei Wikipedia zu „Wolrad Prinz zu
Schaumburg-Lippe“ an der Rückdatierung am 28. November 2009 „herumgefeilt“
wurde. Die lange Liste mit Vermögenspositionen des verstorbenen Adolf wird mit
dem Hinweis versehen, dass sie zwar Adolf zu gehören scheinen, aber doch nicht
gehören, darunter Gut Steyerling, Vietgest, Nienhagen, Boldebuck, Gülzow,
Wilhelminenhof, Reinshagen, Krümmel und das Palais Schaumburg in Bonn und
Beteiligungen an vielen Gesellschaften. Die „Unterschrift“ dessen, der
bescheinigt, fehlt, hingegen findet sich ein Stempel mit einer nachgemachten
Unterschrift von Henckel von Donnersmarck, Testamentsvollstrecker, 20. Mai
1936.
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Im Zeitraffer
ergibt sich folgende Bildfolge: Adolf und Ehefrau starben, das Testament
verschwand, das Flugzeug wurde verbrannt, Unterlagen verschwanden, als die
Staatsanwaltschaft Bückeburg ermittelte. Wozu dienten die Ermittlungen gegen
Valentin Graf Henckel von Donnermarck auch? Um ihn als Testamentsvollstrecker
zu entlassen. Denn gemäß § 2227 BGB kann das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker
auf Antrag eines der Beteiligten entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt;
ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur
ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Anfang 1937 „bescheinigte“ das
Nachlassgericht Bückeburg, dass Adolf Fürst zu Schaumburg-Lippe vermögenslos
verstarb. § 2339 BGB erklärt, dass erbunwürdig ist, wer sich in Ansehung einer
Verfü- gung des Erblassers von Todes wegen einer Straftat nach den §§ 267, 271
bis 274 des Strafgesetzbuchs schuldig gemacht hat. Es gab Hinweise auf ein
abhanden gekommenes Testament in einer „Nachlassabrechnung“ des
„vermögenslosen“ Adolf Fürst zu Schaumburg-Lippe, von der „Hofkammer“ erstellt:
6. August 1936 Beglaubigung Testamentsvollstreckerzeugnis 0,25 RM 19. März 1937
Gerichtskasse Bückeburg für Testamentseröffnung und Erteilung Testamentsvollstreckerzeugnis
184,00 RM 28. April 1938 Gerichtskasse Bückeburg für
Testamentsvollstreckerzeugnis 40,08 RM Das Testamentsvollstreckerzeugnis vom
14. April 1938 (Kostenabrechnung vom 28. April 1938) wies als
Testamentsvollstrecker nun „Hofrat Müller“
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aus. Damit war
die „Testamentsvollstreckung“ aus einem nicht auffindbaren Testament vollends
in die Hand der „Hofkammer“, also Wolrads gelangt. Auch dieser Passus aus einem
Schriftsatz des Rechtsanwaltes von Valentin Graf Henckel von Donnersmarck lässt
keinen Zweifel an der Existenz eines Testaments zu: Niemals hat der Fürst die
Verträge mit dem Kläger (Valentin Henckel von Donnersmarck) als sittlich und
unter Zwang abgeschlossen angesehen. Wie sollte er auch wohl sonst dazu
gekommen sein, im Jahre 1925, also nach vierjähriger Tätigkeit, die Verträge zu
verlängern? Wie sollte er weiter dazu gekommen sein, ihn im Testament mit einer
Anerkennung zu bedenken, für die ihm treu geleisteten Dienste? Zum Beweis
hierfür wird auf die Testamentsakten beim Amtsgericht in Bückeburg Bezug
genommen. Wo ist das Testament? Wo sind die Testamentsakten?
Staatsgeheimnis.
https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/14026
https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/14026
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